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Bekenntnisse

Gauck-Predigt 

an der Heimatfront

Nr. 546 – vom 15. Juni 2012
Am kommenden Sonntag steht uns mal wieder ein europäischer Schicksalstag ins deutsche Haus: Dann entscheidet sich nämlich, ob die deutschen Helden des Feldherren Löw aus der europäischen Meisterschaft gekantet werden – und das obwohl sie in den bisherigen Schlachten von Blitzkrieg zu Blitzkrieg geeilt sind. Von der „Süddeutschen“ wird mir online vorgerechnet, daß sie bei dem kommenden Spiel gegen Dänemark nur 0:2 unterliegen müßten, während Portugal gegen Holland siegt, egal mit welchem Ergebnis. Nun, so schlimm wird es wohl nicht kommen in Europa. Notfalls muß Angela Merkel eingreifen als Vor-Stopperin. Sie muß Portugal ja nur dezent einen Wink geben, indem sie ein bißchen mit ihrem Rettungsschirm herumwackelt. Und düster drohend sprach sie gerade im Bundestag: „Auch Deutschland darf nicht überfordert werden.“
 
Immerhin müssen wir am Sonntag  nicht gegen Griechenland spielen. Die sind in einer anderen Gruppe und müssen sich schon morgen gegen die Russen verteidigen. Dennoch treten auch sie am Sonntag an gegen die deutsche Vormacht. Ihr gefürchteter Linksaußen-Stürmer Alexis Tsipras will es den Deutschen zeigen. Obwohl wir den Griechen heftig genug klar gemacht haben, daß sie gar keine andere Wahl hätten als die der Merkelschen Finanzdiktatur, zeigen sie sich nach wie vor begriffsstutzig und tun so, also könnten sie dennoch wählen. Sie weigern sich hartnäckig, das von der deutschen Spielleitung angeforderte Endergebnis in diesem europäischen Finale zu liefern.
 
Zeit, daß die Deutschen mal wieder für einen Endsieg sorgen. Schließlich waren deutsche Mannschaften schon einmal vor ein paar Jahrzehnten in Griechenland kollektiv zu Besuch. Allerdings war das deutsche Volk damals noch begeisterungsfähig, wenn es um Auslandseinsätze unserer Truppe ging. Da brauchte es keinen Feldpfarrer namens Gauck, um die Heimatfront vor dem Dolchstoß zu warnen. Denn also sprach der Verkünder: „’Ohne uns’ als purer Reflex kann keine Haltung sein, wenn wir unsere Geschichte annehmen.“ Natürlich gab es in dieser angenommenen Geschichte auch Gefallene in den eigenen Reihen, aber das akzeptierte man damals in nüchterner Gelassenheit, weil die deutsche Volksgemeinschaft noch nicht zu einer „glücksüchtigen Gesellschaft“ (Gauck) verkommen war.
 
Zugleich lobte er die Bundeswehr für ihre Vereinigungsbereitschaft: „Keine Institution hat so umfassend und so früh junge Menschen aus beiden Teilen Deutschlands zusammengebracht.“ Daß etliche dieser jungen Menschen nicht nur zusammengebracht, sondern auch zusammen unter die Erde gebracht wurden, hat man eben gauckergeben hinzunehmen. Schließlich muß jedem klar sein, „daß ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muß, daß im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren“. Nein, das war jetzt ein anderer Bundespräsident, der einst aus Versehen ausgeplaudert hat, daß unsere Jungs in Afghanistan sich dort in einer wichtigen Mission befinden – und zwar in einer Handelsmission. Erschrocken über die eigene Offenheit hatte er sich gleich danach freiwillig zurückgetreten. Gauck hat bei seiner jetzigen Rede vor der Bundeswehr-Akademie zwar auch besagten Herrn Köhler zustimmend zitiert, seine aufklärerischen Worte zu Afghanistan hat er aber vorsichtshalber unter den Teppich gekehrt. Der Fairness halber sei hinzugefügt: Es handelt sich bei diesem Teppich um keinen, der auf afghanischen Handelswegen via Bundesnachrichtendienst ins Land geschmuggelt wurde.
 
Dieser Bundespräsident hat es geschafft, als kriegerischer Nationalheiliger  permanent präsent zu sein in unseren Medien. Ich gebe zu: Aus mir spricht der Neid auf einen wirklich begnadeten Selbst-Inszenator, der als Rampensau keinen anderen Hauptdarsteller neben sich duldet. Als er neulich in Israel war und auch am See Genezareth Station machte, hätte es mich nicht gewundert, wenn dort der Herr Jesus bei Gauck um eine Audienz nachgesucht hätte. Vielleicht hätten sie sogar einen gemeinsamen Spaziergang über das Wasser gemacht. Allerdings, wenn das im Fernsehen live übertragen worden wäre, hätte sich jeder Zuschauer gefragt: „Wer ist eigentlich dieser komische Typ neben dem Gauck?“


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Zum friedlichen Abschluß noch ein abendliches Poem aus meiner erzgebirgischen Dichter-Datschen-Idylle:


Der Tag, er geht
 
Der Tag, er geht mit freudigstem Getön
von jener Amsel, droben auf ‘nem Kabel,
die einfach nicht mehr halten kann den Schnabel
vor lauter Jubel: Dieser Tag war schön!
 
Der Tag, er geht und langsam wird es Abend.
Ein letzter Schmetterling besucht die Blumenschüssel.
Schon halb im Traume reckt Narziss den Rüssel,
den späten Gast schläfrig mit Nektar labend.
 
Der Tag, er geht. Die Schwalben fliegen tiefer.
Sie tanzen ihm zu Ehren im Ballette
über dem See und schnappen dabei fette
das abendträge Restgeziefer.
 
Der Tag, er geht. Nun wird die Nacht ausspreiten
über das leise Land die dunklen Flügel.
Ein letztes Sonnenblinzeln dort über dem Hügel
bevor die Tannen in die Dämm‘rung gleiten.
 
Der Tag, er geht. Sein letzter Atem bläst
als kurzer Windstoß kühl zu mir herüber,
als wollt’ er fragen: Na, hast du mich über?
Nein, denk’ ich, schade, dass du gehst.