Bekenntnisse

Der Putsch der Griechen
gegen ihre deutsche Regentin

Nr. 638 – vom 26. Januar 2015
„Sorry, Herr Tsipras, aber das geht zu weit!“ Die BILD-Zeitung hat schon mal eine erste Abmahnung verschickt. Eine prompte Antwort an die Griechen aus ihrer eigentlichen Hauptstadt – also aus Spree-Athen. Die haben sich ja gestern total verwählt – und schon kommt aus Brüssel und Berlin die Rückmeldung: „Kein Anschluss unter dieser Nummer.“ Diese unfrommen Hellenen haben offenbar total vergessen, wer im dortigen deutschen Generalgouvernement die Richtlinien der Politik bestimmt. Das ist immer noch Angela, unsere europäische Sado-Maso-Queen, die vor ihre herrschaftliche Kutsche eine Troika gespannt hat. Aber nee, die Griechen haben nun eine Retourkutsche gestartet und haben ihre Regentin einfach abgewählt. Die haben sich daran erinnert, dass in Griechenland mal vor Urzeiten die Demokratie erfunden wurde. Aber das ist schließlich kein Grund, noch heute davon so unverschämt Gebrauch zu machen.

Da fordert dieser Herr Tsipras doch unverfroren im Namen seines Volks – also „populistisch“, wie etliche Kommentatoren klarstellen – einen neuen Schuldenerlass. Und das findet unglaublicherweise auch noch eine wachsende Zahl bürgerlicher Ökonomen in Europa völlig vernünftig. Die Griechen stehen inzwischen mit 240 Milliarden Euro in der europäischen Kreide. Das nennt man Euros nach Athen tragen. Allerdings sind 95 Prozent dieser Gelder nie in Griechenland angekommen; die wurden gleich an die Deutsche Bank und an weitere internationale Großbanken und Hedgefonds umgeleitet. Ja, hätte man die armen Heuschrecken denn verhungern lassen sollen? Das wäre doch zutiefst inhuman. Da sollen lieber die Griechen am Hungertuch nagen. In diesem Sinne gehört ja ein großer Teil der dortigen Bevölkerung inzwischen zu den Betuchten.

Natürlich werden die Griechen nie und nimmer diese Unsummen zurückzahlen können. Und das weiß auch jeder. Nur Merkel und Schäuble wollen davon nichts wissen, weil ihre Wähler es nicht wissen dürfen. Schäuble erklärte kategorisch: „Einen solchen Schuldenerlass wird es mit uns nicht geben.“

Allerdings hat es den schon mal gegeben – mit uns und sogar für uns. Es war nämlich einst die junge Bundesrepublik Deutschland, die nach ihrer Gründung im Jahre 1949 unter der Last ihrer Vorkriegs- und Kriegsschulden kaum noch japsen konnte. Das war eine schreiende Ungerechtigkeit, denn wir Deutschen haben uns bekanntlich auch im Krieg nie etwas zu schulden kommen lassen. Jedenfalls stand die bundesdeutsche Republik am Abgrund einer sozialen und ökonomischen Katastrophe. Die Rettung kam 1953. Auf einer internationalen Schuldenkonferenz in London erließen uns mehr als 20 Gläubigerstaaten, darunter Griechenland, 50 Prozent der Schulden. Erst danach konnte das deutsche Wirtschaftswunder seinen wundersamen Verlauf nehmen. Der Rest der Schulden wurde uns zum Beispiel von Griechenland zu einem sehr günstigen Zinssatz gestundet bis zum Inkrafttreten eines Friedensvertrages. Den haben wir nun seit 25 Jahren in Form des Zwei-plus-Vier-Vertrags. Nach konservativen Schätzungen sind bis heute etwa 70 Milliarden Euro an Schulden angelaufen, die wir an die Griechen vertragsgemäß zurückzahlen müssten. Doch für die Bundesregierung hat sich die Sache verjährt. Schließlich sind wir längst wieder die Nummer 1 in Europa, und somit sind wir nach einem leicht verspäteten Endsieg die Sieger der Geschichte. Und Sieger haben schließlich niemals in der Geschichte irgendwelche Kriegsschulden bezahlt.

Aber statt dankbar zu sein, dass wir Deutschen die Griechen überhaupt noch in Europa dulden, fordert dieser Herr Tsipras jetzt eine neue Schuldenkonferenz nach Londoner Vorbild. Unsere Antwort hat BILD ja schon vorgeschrieben: „Sorry, Herr Tsipras, aber das geht zu weit!“

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Aber ich gehe noch weiter – und zwar auf der Bühne: Am Donnerstag im Kasseler „Theaterstübchen“, am Freitag im „Capitol“ in Königs Wusterhausen und am Sonnabend bei den „Wühlmäusen“ in Berlin.