Die mit dem Wulff tanzt
Nr. 527 – vom 13. Januar 2012
Unser Bundespräsident hat sich gestern mal wieder empfänglich gezeigt – vor laufenden Kameras, als er das neue Jahr sowie die besseren Herrschaften der Berliner Gesellschaft empfing. Mit sauberer Hemdbrust stand er da; auch die Weste war lupenrein sauber ohne einen einzigen Fleck. Endlich mal eine unbefleckte Empfängnis des Herrn Präsidenten. Ansonsten erfährt man jeden Tag neue Details aus seinem lufthansa-bewegten Vorleben, wo es mit der Empfängnisverhütung ganz offenbar nicht so richtig geklappt hat. Der Erklärungsbedarf, den die Medien einfordern, macht seine Erklärungen immer bedürftiger. In einem beeindruckenden Eiertanz steppt er von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen. Und die Kanzlerin muß notgedrungen bei diesem Tänzchen mittanzen, auch wenn ihr der Herr Präsident dabei ständig auf die Zehen latscht. Ein Dirty-Dancing-Drama: Die mit dem Wulff tanzt...
Bislang hat das Wulffchen mit seinem einnehmenden Wesen in der Bevölkerung immer noch einen gewissen Bubi-Bonus. Ein brav gescheiteltes Jungchen, das sich blöderweise dabei hat ertappen lassen, wie es heimlich in die verbotene Bonbon-Büchse gegriffen hat und das nun hilflos seine Ausreden herunterstottert. Bei einer Fernseh-Umfrage auf Berliner Straßen war der durchgehende Tenor: Der ist zwar doof, aber irgendwie ist er ein netter Doofer. Oder noch fundierter als Aussage: „Ich mag den trotzdem irgendwie.“ Tscha, das mit dem Irgendwie-Mögen oder Nichtmögen ist nun mal Geschmackssache. Ich zum Beispiel mag Schokoladenpudding. Und schon vor Jahren habe ich an dieser Stelle meinen Schokoladenpudding für das Amt des Bundespräsidenten vorgeschlagen, doch keiner hat auf mich gehört (Wochenschauer Nr. 209 / März 2004). Mein Schokoladenpudding wäre ein durchaus geeigneter Kandidat. Er würde in diesem Amt zumindest nicht weiter stören. Und das Volk könnte dann bei Umfragen versichern: „Das ist irgendwie ein ganz Süßer.“
Damit will ich keineswegs das Amt des Bundespräsidenten in Frage stellen. Das gibt es nun mal und deshalb kann man es auch nicht leerstehen lassen. Daß in ein Amt ein Amtsinhaber gehört, das gehört sich einfach so. Zumal, wenn es sich nicht um irgendein tiefgelegenes, niederes Amt handelt, das man normalerweise gar nicht wahrnimmt, sondern um ein sehr hohes, das schon von Weitem und von allen Seiten aus zu sehen ist. Da würde es tatsächlich einen blöden Eindruck machen, wenn so ein hohes Amtsgeschäft öde und verlassen in der Landschaft rumsteht – eben, weil sich keiner findet, der in den Laden rein will. Also irgendwer muß da rein. Egal wer. Egal ob ein Köhler oder ein Wulff oder wen sonst Angela Merkel dort als Ladenhüter schickt.
Nur deshalb brauchen wir einen Bundespräsidenten: Damit da tagsüber irgendwer im Amt ist. Sein einziger Daseinszweck ist es, da zu sein, präsent zu sein. Eben damit wir einen zum Vorzeigen haben in diesem Amt, damit wir jemand präsentieren können. Wir präsentieren ihn als Bundespräsent. Und er präsentiert zurück. Er re-präsentiert.
Wobei es schon von Vorteil ist, wenn das Volk diesen Repräsentanten auch mag. Und was mich als Volk angeht, so mag ich nun mal Schokoladenpudding. Und wenn ein Bundespräsident nichts anderes zu tun hat, als da zu sein, fände ich es schön zu wissen, daß ständig ein Schokoladenpudding für mich da ist. Als Repräsentant hätte mein Pudding außerdem einen entscheidenden Vorteil: Er würde garantiert keine einzige Rede halten.
Aber nein, mein Pudding würde wabbeln ohne zu schwabbeln. Eine ganze Amtszeit lang würde aus dem Schloß Bellevue kein Ton herausdringen. Tscha, jetzt habe ich Ihnen meinen Kandidaten wohl endgültig schmackhaft gemacht.
Aber leider gibt es eine ganze Menge Leute, die mögen keinen Schokoladenpudding. Unsere Kanzlerin zum Beispiel, die lehnt Schokoladenpudding ganz strikt und vollinhaltlich ab. Sie fürchtet den Skandal, wenn eines Tages durch unermüdliche „Bild“-Recherchen herauskommen sollte, der dieser Pudding von seinem Millionärsfreund Dr. Oetker gesponsored wurde.
Apropos „Bild“... Daß die einstige Wulffsche Hauspostille nun zum Kampfblatt des investigativen Journalismus geworden ist, verwirrt so manchen Nicht-Leser dieses Organs. Die „Berliner Zeitung“ kommentierte am Mittwoch, daß diese Verwirrnis von wenig Souveränität zeuge: „Man muß auch mal gönnen können. Wer einem blinden Huhn zugesteht, auch mal ein Korn zu finden, glaubt noch lange nicht, daß es deshalb sehend geworden sei.“
Die Metapher mit dem blinden Huhn gefiel mir schon deshalb, weil ich mich in der sehbehinderten Geflügelwelt inzwischen halbwegs auskenne. Davon zeugt auch ein Poem aus meinem neuen Buch „Geh!Denken – Geh!Dichte“ (hier zu erwerben). Ein Gedicht, in dem ich allerdings ganz unpolitisch die Non-Sense schwinge. Hier ist es – gewissermaßen als Zugabe:
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Das blinde Huhn
Ein Huhn, geführt vom Blindenhunde,
kommt abends in die Kneipenrunde.
Ich lad’ es zu ‘nem Glase ein:
„Was soll es sein? Bier oder Wein?“
Das läßt das Hühnchen leicht verschnupfen,
als wollt’ es gleich eins mit mir rupfen.
„Sorry“, sag’ ich „noch mal von vorn:
Wie wär’s mit einem guten Korn.“
Das Huhn gießt sich mein' Korn geschwinde
dankend hinter die Blindenbinde.
Auch so ein blindes Huhn, denk’ ich,
findet ein Korn gelegentlich.
Das Huhn, es gackert: „Wunderbar!
Nach diesem Klaren seh’ ich klar.“
Es blickt mir hühnisch ins Gesicht.
Und ich versteh’: Blind ist es nicht.
Dann schleicht’s davon, um noch ein Korn
in and’rer Korn-Kammer zu schnorr’n.
Womit bei der Moral wir sind:
Trau keinem Hühnerauge blind!