Bekenntnisse

Eine Gute-Nacht-Geschichte 

vom guten Onkel Ackermann

Nr. 530 – vom 3. Februar 2012
Zunächst eine Mitteilung, auf die viele seit Wochen warten, wie ich den Anfragen entnehmen konnte: Die Doppel-CD des neuen Programms „Hier stehe ich! Ich kann auch anders!“ ist endlich erschienen, live mitgeschnitten bei den „Wühlmäusen“. 15 Euro kostet der zweifelhafte Spaß, und der kann hier bestellt werden. Dort finden Sie auch die folgende Geschichte:
 

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Heute, liebe Kinder, will ich eine neue Lach- und Sachgeschichte erzählen in meiner Sendung mit der Maus. Es ist zugleich eine Gute-Nacht-Geschichte, bei der es allerdings mehr um die Versendung unserer Mäuse geht. Genauer darum, wie all unsere Mäuse verschwinden – und zwar in Milliardenlöchern. Ich will euch nämlich erklären, was es mit Krediten auf sich hat.
 
Kredite sind nichts anderes als geliehenes Geld, liebe Kinder. Und wenn man einen Kredit haben will, braucht man erst einmal eine Bank. Es sei denn, man hat ein paar nette Millionärsfreunde und ist irgendwo Ministerpräsident. Aber solche Freunde hat nun mal nicht jeder, weil ja auch nicht jeder Ministerpräsident ist – oder gar Bundespräsident. Das sind nur ganz wenige Auserwählte, die man gerade deshalb auserwählt hat, weil sie einen ganz hohen Kredit haben, und zwar an Vertrauen im Volke. Das Wort Kredit kommt aus einer ganz alten Sprache und hat was mit einem Credo zu tun. Und Credo heißt übersetzt ins Deutsche, nichts anderes als – Glauben, Vertrauen. Doch wenn man das Vertrauenskapital einfach so verleiht im guten Glauben ohne Wenn und Aber, dann ist man zwar ein Gläubiger – aber eben nur im Aber-Glauben.
 
Wie gesagt, für einen Kredit ist normalerweise eine Bank vonnöten. Und natürlich sollte es eine wirklich gute Bank sein, also nicht irgendeine Bad Bank, von der man zuweilen reden hört. Schließlich will man auch gutes Geld haben. Deshalb braucht man einen Gutbänker, der auch gute Gewinne macht. Und da haben wir als gutes Beispiel für alle anderen den guten Onkel Ackermann. Der hat auch eine Bank, die er sich in Frankfurt ans Mainufer hingestellt hat. Und weil auf dieser Bank eine ganze Menge Geld geparkt ist, handelt es sich nicht nur um eine kleine Parkbank. Nein, diese Bank ist schon ein bißchen größer und länger.       Und auf diese lange Bank hat sich der Onkel Ackermann geschoben. Da sitzt er also, weil er nun mal ein Vorsitzender ist. Demnächst allerdings muß er da nicht mehr sitzen, weil er dort nun lange genug gesessen hat. Obwohl es böse Menschen gibt, die meinen, der Onkel Ackermann sollte noch viel länger sitzen, allerdings ganz woanders.
 
Jedenfalls kriegt der Onkel Ackermann, weil er immer so brav auf seiner Bank sitzen geblieben ist, zum Abschied noch mal was Gutes zur Belohnung. Dann bekommt er nämlich einen Bonus. Auch dieses Wort, liebe Kinder, kommt aus einer ganz alten Sprache und bedeutet auf deutsch: das Gute. Weil nämlich der Onkel Ackermann an das Gute im Herzen der Menschen glaubt – auch in seinem eigenen Herzen. Genauer gesagt: über seinem Herzen. Da sitzt nämlich seine Brieftasche, und die ist eng mit seinem Herzen verwachsen. Und wenn in seiner Brieftasche so ein richtig fetter Bonus drin ist, dann macht sein Herz vor Freude einen Hüpfer. Das nennt man einen Herzschrittmacher.
 
Aber der gute Onkel Ackermann will auch, daß es anderen Menschen gut geht, besonders den armen Menschen in den armen Ländern Europas. Die sind so arm, weil sie gar kein Geld haben. Und deshalb leiht ihnen der Onkel Ackermann gelegentlich was. Er leiht sogar Leuten Geld, die ganz ungezogen sind und schlampig. Die nennt man Griechen. Doch auch denen gibt er Geld, allerdings nicht von seinem eigenen, denn so dick ist sein Bonus nun auch wieder nicht. Um ihnen einen Kredit zu geben, muß er sich selbst erst einmal einen Kredit besorgen. Und zwar bei uns. Wir haben nämlich auch eine Bank. Das ist die Europäische Zentralbank, die gehört allen Europäern. Die haben wir vorsichtshalber in Deutschland hingebaut, damit die anderen Europäer nicht so schnell rankommen. Die steht nämlich auch in Frankfurt am Main, so daß es der Onkel Ackermann zu Fuß nicht so weit hat, wenn er bei uns am Bankschalter einen Kredit beantragen will.
 
Und da der Onkel Ackermann ja den armen Menschen in den armen Ländern helfen will, geben wir ihm den Kredit auch ganz billig, nämlich zu einem Zinssatz von 1 Prozent. Ein Zins ist so etwas wie eine Leihgebühr, liebe Kinder. Das heißt: Wenn sich der Onkel Ackermann bei uns zum Beispiel 100 Euro pumpt, muß er irgendwann einen Euro extra dazuzahlen. Aber dieser eine Euro muß auch erst einmal verdient werden. Deshalb läßt der Onkel Ackermann das Geld zunächst ein bißchen arbeiten, bevor er es weitergibt. Und da wir ihm dieses Kapital, das nun für ihn arbeitet, geliehen haben, nennt man das Leiharbeit. Glücklicherweise haben bei Leiharbeitern Gewerkschaften nichts zu melden. Da ist der Onkel Ackermann auch sehr froh drüber, weil die Gewerkschaften so raffsüchtig und geldgierig sind. Die sind immer nur hinter Gewerkschaftsbeiträgen her. Aber das Kapital zahlt keine Gewerkschaftsbeiträge; deshalb muß es der Onkel Ackermann auch nicht entlassen, weil es immer brav durcharbeitet, Tag und Nacht, auch an allen Feiertagen.
 
Da werden natürlich Nachtzuschläge und Feiertagszuschläge fällig, so daß für die Bank vom Onkel Ackermann hohe Bearbeitungsgebühren anfallen. Deshalb kann er den Kredit auch beim besten Willen nicht zu einem Zinssatz von einem Prozent weiter verleihen, so gern er das auch wollte. Nein, um auf seine Unkosten zu kommen, muß er nun eine etwas höhere Leihgebühr nehmen – zu einem Zinssatz bis zu 11 Prozent. Alles andere wäre auch peinlich, denn wenn der Kredit zu billig wäre, würden die armen Leute in den armen Ländern glauben, er wolle sie nur mit billigem Kram abspeisen. Nein, die sollen schon merken, daß an dem Kredit auch was dran ist.
 
Nun sind aber die armen Menschen in den armen Ländern so arm, daß sie noch nicht einmal die anfallenden Zinsen zahlen können. Und da wäre der gute Onkel Ackermann ja wirklich arm dran und würde selber in tiefste Not geraten. Deshalb gibt es in Brüssel eine Geldsammelstelle zur Rettung von Onkel Ackermann (auch wenn die etwas anders heißt). Da holt die liebe Tante Merkel einen Banken-Rettungsschirm aus der Tasche und aus unseren Taschen holt sie das Geld dafür. Auch andere europäische Länder müssen etwas dazugeben, aber nicht so viel wie wir, weil wir mehr Taschengeld haben.
 
Das gesammelte Geld überweist dann die Brüsseler Sammelstelle zum Beispiel an die griechische Regierung. Und die griechische Regierung überweist es weiter an die griechischen Banken. Denen hat der Onkel Ackermann nämlich die Kredite geliehen. Er hätte natürlich am liebsten den armen Menschen in den armen Länder das Geld direkt überwiesen, aber er hatte leider nicht alle Konto-Nummern. Jedenfalls überweisen die griechischen Banken das Geld dann wieder zurück an den Onkel Ackermann, damit er zumindest einen Teil der Bearbeitungsgebühren zurückkriegt. Das nennt man einen Geldkreislauf.
 
Doch nun werdet ihr euch fragen, liebe Kinder, was denn aus dem geliehenen Kapital geworden ist. Nun ja, das mit dem Kapital ist so eine Sache, und zwar eine ziemlich traurige. Als das Kapital nämlich noch unter der Aufsicht vom Onkel Ackermann war, da war es immer fleißig und hat Tag und Nacht gearbeitet. Aber dann hat Onkel Ackermann das Kapital auf Reisen geschickt. Und als es in den südlichen Ländern landete – in Griechenland, Portugal, Spanien, Italien – da sagte sich das Kapital: „Jetzt ist der Onkel Ackermann nicht mehr da und kontrolliert mich ständig; da muß ich nicht mehr so viel arbeiten. Ich mach einfach mal heimlich ein bißchen Urlaub.“ Und dann legte sich das Kapital in die südliche Sonne an den Strand und war plötzlich stinkend faul. Deshalb redet man auch von faulen Krediten.
 
Und mit so faulem Kapital konnte der Onkel Ackermann nichts anfangen; das wollte er auch gar nicht wiederhaben. Und so setzte er sich auf seine deutsche Bank und weinte gar bitterlich. Aber da wir alle den guten Onkel Ackermann so lieb haben, mußten wir ihm natürlich helfen. Schließlich haben wir ja immer noch unsere Europäische Zentralbank. Und die hat diese faulen Kredite einfach aufgekauft. Und die Zinsen bis zu 11 Prozent haben wir natürlich extra draufgelegt.
 
Aber wenn ihr jetzt gut aufgepaßt habt, liebe Kinder, dann wißt ihr auch, daß es sich um dasselbe Geld handelt, das wir dem Onkel Ackermann zu einem Zinssatz von 1 Prozent geliehen haben. Das versteht ihr jetzt vielleicht noch nicht, weil ihr noch zu klein seid und in den unteren Klassen. Das versteht man nur in den oberen Klassen, weil das höhere Mathematik ist und deshalb Hochfinanz. Doch es gibt auch Erwachsene, die bei der Prozentrechnung in der Schule nicht aufgepaßt haben und die meinen, um das zu verstehen, brauche man keine Prozente, sondern Promille.
 
Doch Promille, liebe Kinder, sind ganz großes Pfuibaba. Davon wird man nämlich besoffen. Und die Tante Merkel mahnt uns doch immer, wir sollten die Lage nüchtern betrachten. So wie ich euch diese Geschichte heute zur Ernüchterung erzählt habe. Aber jetzt müßt ihr langsam ins Bett, damit wir alle in Europa ruhig schlafen können. Und so sage ich euch nun das, was sich inzwischen fast alle in Europa sagen:
 
Na dann, gute Nacht!