Gottschalk for President!
Nr. 532 – vom 17. Februar 2012
Es hat sich also ausgewulfft. Schließlich hat er sich doch freiwillig zurücktreten müssen. Er hatte sich so lange die Hände in Unschuld gewaschen (wobei natürlich eine Hand die andere wusch), daß er irgendwann zum Handtuch greifen mußte. Und das hat er nun geworfen. Das Tuch ist weg. Und die Betuchten, die sich um ihn kümmerten, wohl auch.
Wurde auch höchste Zeit, so der Tenor (genauer: der Basso continuo) der ersten Kommentare. Das finde ich nun gar nicht. Von mir aus hätte er noch ein paar Wochen lang im seinem Amte herumsitzen dürfen. Denn wenn jetzt allgemein behauptet wird, er habe dem Amte seinen Dachschaden zugefügt, so kann ich ihm kronzeugend bescheinigen, daß er mir keineswegs zum Schaden gereicht hat. Ganz im Gegenteil: Er hat mir in den letzten Wochen den aktuellen Einstieg in meine Vorstellungen sehr erleichtert, indem er mir eine Lachnummer nach der nächsten lieferte. Für mich war Wulff ein echtes Schnäppchen. Dadurch hat er mir eindeutig einen Vorteil verschafft, den ich dankbar angenommen habe. Damit ist auch in meinem Fall der Anfangsverdacht der Vorteilsannahme gegeben. Die Staatsanwalt ist schon alarmiert.
„Vorteilsannahme, was issen das“, wollte gestern nach der Vorstellung eine ältere Dame, offenbar der juristischen Fremdsprache unkundig, von mir wissen. Nun, erklärte ich, eine Vorteilsannahme sei es zum Beispiel, wenn man zum Vorteil des Herrn Wulff annimmt, daß er grenzwertig debil, also hochgradig bescheuert wäre, jedoch kein notorischer Lügner und Volksbetrüger. Die Dame meinte, daß sich beide Annahmen gegenseitig keineswegs ausschlössen, sondern sich im Fall Wulff sogar ergänzen würden. Was wiederum eine Annahme war, deren Annahme ich strikt verweigern mußte – schon aus juristischen Gründen. Ich distanziere mich deshalb an dieser Stelle vollinhaltlich von dieser Aussage und mache von meinem Aussageverweigerungs-Recht Gebrauch. Mal wieder bin ich aus rein rechtlichen Gründen absolut nicht meiner Meinung.
Die juristische Corectness habe ich mit Wulff gemeinsam. „Ich habe mich stets rechtlich korrekt verhalten“, läßt er uns wissen in seiner letzten Amts-Ansprache. Allerdings: „Ich habe Fehler gemacht, aber ich war immer aufrichtig. Schließlich, wie er vor ein paar Wochen im Staatsfernsehen versicherte: „Man ist auch nur Mensch.“ Eine Auskunft, die bei all dem Affentheater beruhigend war. So erfuhr man zumindest, welcher Primatengattung er sich selbst zurechnete.
Aufrichtig, wie er nun mal ist, versicherte er sich und uns, daß er nicht käuflich sei. Das glaube ich ihm auch. Denn mal ehrlich, könnten Sie sich vorstellen, einen solchen Second-Hand-Politiker zu kaufen, selbst wenn es sich wie im Wulffschen Fall um ein Schnäppchen handeln würde? Den würde man doch nie wieder los.
Seine persönlich gewiß tief empfundene Tragik ist ja gerade, daß er inzwischen absolut unverkäuflich ist. Das stürzt ihn nun in noch bittere soziale Not als bisher. Der sogenannte Ehrensold für gewesene Präsidenten wird ihm schon jetzt streitig gemacht. Wie soll er sich da noch einen Urlaub leisten? Wird ihm irgendeiner seiner niedersächsischen Kaufleute demnächst noch ein Campingbett in die Besenkammer ihrer Herbergen stellen, egal ob auf Mallorca oder auf Sylt? Der Mann ist wohl auf ewig verbannt nach Großburgwedel ins Klinkerhäuschen-Exil. Und auch die verklunkerte Eigenheim-Gattin wird ihre Klunker und Kleider nicht mehr wie bisher kostenlos von großen Modefirmen beziehen. Nur für notleidende Präsidenten-Gattinnen haben die da eine Altkleidersammlung, nicht für irgendeine Ex.
Ein wahrhaft trauriges Sozial-Drama mit so dramatischen Unhöhen und Untiefen, daß es geradezu danach schreit, verfilmt zu werden. Der Film-Produzent David Groenewold soll sich die Filmrechte schon gesichert haben. Bei der nächsten Berlinale wird der Streifen dann bestimmt im Wettbewerb laufen. (Zumal man sich dort im deutschen Programm-Teil weitgehend spezialisiert hat auf Beziehungsdramen in besseren Kreisen. Die können sich dort den Luxus von exzellentesten Problemen leisten, die einem Problem-Normalverbraucher notgedrungen an verschiedenen Körperteilen vorbeigehen.)
Ein Drama auch für unsere Merkel-Mutti, die sich so fürsorglich um ihr nicht immer braves Bübchen gekümmert hat, der ja schon früher sozial auffällig geworden war. Mühsam genug mußte sie damals durchsetzen, daß er überhaupt diese Lehrstelle als Azubi im präsidialen Amtsgeschäft bekam. Nun sucht sie verzweifelt einen Konsens-Kandidaten. Ein ähnliches Problem also wie jenes, daß man bei „Wetten, daß...“ hatte. Und da hat man schließlich auch eine Notlösung gefunden.
Apropos: Wird nicht demnächst Thomas Gottschalk wieder erlöst von seinem neuen ARD-Job mit den erfreulichsten Ausschalt-Quoten? Könnte der dann nicht als Wettkandidat für’s Bundespräsidialamt antreten? Wetten, daß der Konsens zumindest gewährleistet wäre! Da würden doch die Gummibärchen jeder politischen Couleur in gemeinsamem Jubel ausbrechen. Und dem Ansehen des Amtes könnte das nun wahrlich nicht mehr schaden.
Ich schreib das hier auch deshalb, weil es immer heißt, daß Satiriker immer so miesepetrig und schadenfroh die politischen Krisen kommentieren, ohne je einen positiven Vorschlag zu machen. Also! Hier ist mein Kandidaten-Angebot! Gottschalk for President! Frau Merkel, übernehmen Sie!