Bekenntnisse

Warum ich nicht Vorsitzender 

der Linkspartei werden kann

Nr. 540 – vom 13. April 2012
In der nördlich gelegenen „Demokratischen Volksrepublik Korea“ ist die Parteienlandschaft erfreulich übersichtlich. Die „Partei der Arbeit Koreas“, die sich selbst als Linkspartei versteht, kann sich immer wieder als stärkste Partei behaupten, was aber vielleicht auch daran liegt, daß es außer ihr dort keine weiteren Parteien gibt. Auch bei der Wahl des Vorsitzenden gab es noch nie Probleme. Da geht die partei-interne Demokratie ab wie eine Rakete – eben wie jene, die  gerade einen triumphalen Langstreckenflug von 150 Kilometern hinter sich gebracht hat bevor sie sich im Meer versenkte. In dieser Woche ist nun Kim Jong Un für alle Welt völlig überraschend zum neuen Vorsitzenden gewählt worden. Ein Polit-Pummelchen mit der sympathischen Ausstrahlung eines Sacks Zement. Sein verblichener Herr Papa, der selige Kim Jung Il, wurde zugleich zum „Ewigen Generalsekretär“ gekürt. Eine weise Entscheidung. So hat man immer einen Vorsitzenden auf Vorrat.

Von solcher fernöstlichen Weisheit ist man bei der hiesigen Linkspartei weit entfernt. Dort waltete ja bislang die wackere Gesinnungs-Gesine als Vorsitzende, die den Massen den rechten Weg zum Kommunismus weisen wollte. Weil ihr dabei aber kein Kim Jong als Wegweiser zur Verfügung stand, konnte dieser Weg nur in die ideologische Verwirrnis führen. Nun also ist die Große Vorsitzende zurückgetreten aus ehrbaren persönlichen Gründen. In einigen Kommentaren wird allerdings spekuliert, ob da nicht auch eine ganz persönliche Enttäuschung mit im Spiel war – nämlich die Verbitterung Gesines darüber, daß ungerechterweise die Sarah den Oskar gewonnen hatte und nicht sie. Daß Gesine bei der Oskar-Verleihung für die Rolle der besten Selbstdarstellerin übergangen wurde, lag allerdings nach Meinung aller Kritiker daran, daß Sarah einfach überzeugender war in ihrer Sich-selbst-Darbietung.

Nun zögert ihr Oskar ja sein politisches Verfallsdatum immer aufs Neue hinaus, so daß der Ehrentitel „Ewiger Lafontaine“ ihm mit Fug und Recht zustünde. Zur Bundestagswahl im nächsten Jahr wird er höchstwahrscheinlich wieder Spitzenkandidat seiner Partei und damit automatisch Kanzleramts-Anwärter. Darin hat er Übung. Das war er schon einmal vor vielen, vielen Jahren bei einer früheren Bundestagswahl – allerdings war er da noch, soweit ich mich dunkel erinnere, der Kanzlerkandidat einer anderen Partei. Nee, nicht bei den Piraten; das muß noch eine andere Partei gewesen sein. Wie hieß die bloß gleich? Zu blöd, wenn im Alter das Gedächtnis nachläßt. Aber diese Erinnerungsschwäche habe ich mit jener Partei gemeinsam. Dort kann sich auch keiner mehr daran erinnern.

Mit dem Doppel-Vorsitz bei der Linkspartei wird es nun schwierig. Man will ja nicht nur einen flotten Geschlechter-Zweier, sondern auch ein ansonsten gemischtes Duo, das ossi-wessi-kompatibel sein sollte. Eigentlich käme da nur die Traum-Paarung Sarah plus Oskar in Frage als zentrales Komitee. Könnten sie doch in sich beide Lager vereinigen zu einem gesamtdeutschen sozialistischen Lager. Denn auf diesem Lager sind sie sich ja vereinigungswillig näher gekommen, weil sie im Doppel spitz aufeinander waren. Also eine naheliegende doppel-spitze Lösung. Doch den prüden Mitgenossen ist diese Partnerschaft denn wohl doch allzu nahe liegend.

Was also tun? Eigentlich bräuchte die Linkspartei einen Zwitter als alleinigen Vorsitzenden. Und da gäbe es nur einen – nämlich mich. Schließlich bin ich seit langem ein maskuliner Feminist, der seine femininen Anteile stets sauber quotiert zur Mitsprache bringt. Zudem bin ich ein ausgewiesener Ost-West-Wanderer zwischen den Welten – eben einer, der sich als West-Berliner nach der Wende selbst ausgewiesen hat in den nahen Osten. Seither habe ich ja eine Dichter-Datsche im Erzgebirge. Und als sächsischer Wessi wäre ich ideal geeignet, die Identitätskrise der Genossen substantiell zu vertiefen. Zumal ich mich zur inneren Gespaltenheit schon immer offen bekannt habe, auch auf meiner politischen Bühne. Wie oft schon rief ich verzweifelt aus: Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust. Eine Ostseele, eine Westseele. (Die Ostseele wohnt natürlich nur zur Untermiete.)

Aber ich fürchte, um Vorsitzender der Links-Partei zu werden, müßte ich da auch Mitglied sein. Aber das geht nun mal nicht, weil ich ein bekennender Marxist bin. Und auch das bin ich im Doppel: Ich halte es sowohl mit Karl als auch mit Groucho Marx. Ich bin gewissermaßen ein dualer Marx-Brother. Groucho hat mir ein Manifest hinterlassen, an das ich mich stets gehalten habe. Er verkündete einst: „Eine Partei, die  einen wie mich aufnehmen würde, in die würde ich doch nicht eintreten.“ Und in diesem Punkt bin und bleibe ich ein marxistischer Dogmatiker.

PS. Ein längst schon verewigter Generalsekretär aus dem Saarland (nein, ausnahmsweise ist hier nicht von Oskar die Rede), kommentierte das mit den Worten: „Die Lehre von Marx ist wahr und unvergänglich.“ Möglicherweise war dieser Generalsekretär auch nicht in der Partei. Irgendwer müßte mal Margot fragen...