Bekenntnisse

Grüne, Linke, Piraten: 

Die Basis läßt grüßen

Nr. 553 – vom 5. Oktober 2012
Bei den Grünen hat man mal wieder die Basis entdeckt. Claudia Roth schnullerte es kulleräugig in alle Kameras: „Nichts ist uns wichtiger als das Vertrauen der Basis.“ Dieses Basisvertrauen ist ja nicht ganz unwichtig, wenn man auf der politischen Bühne agiert. Wer sollte das besser wissen als ich. Schließlich stehe ich ab Sonntag wieder selbst auf der Bühne der „Wühlmäuse“, wenn auch nur jeweils für eine zweistündige Wahlperiode.

Dann spüre ich das Vertrauen, das die Basis, die zu meinen Füßen kauert, verströmt. Davon ist vor der Vorstellung, wenn der Theatersaal noch leer ist, nichts zu merken. Aber viele Leute schleppen leichtsinnigerweise Vertrauen mit sich herum – auch ins Theater. Kurz vor dem Ende des Programms mache ich stets die übliche Ansage, daß sich jeder bitte beim Verlassen des Theaters vergewissern möge, daß er seine Wertsachen, insbesondere das Vertrauen, noch dabei habe. Dennoch beschweren sich hinterher immer wieder Zuschauer, daß sie in meinen Vorstellungen ihr rechtsstaatliches Vertrauen verloren hätten und daß ich es ihnen gefälligst zurückgeben soll. Dabei – was soll ich machen: Ich hab dieses Vertrauen selber auch nicht. Das muß irgendwer anders wohl aus Versehen mitgenommen haben. Und so sieht ja dieses Vertrauen auch aus – ziemlich mitgenommen.
 
Andererseits gibt es auch Leute, die kommen und sagen: „Herr Buchholz, ich schenke Ihnen mein volles Vertrauen!“ Diese Schenkung lehne ich aber dankend ab. Meine Mutti hat mir schon früh beigebracht, daß ich von fremden Onkels nichts annehmen soll. Und wie mich das Leben später lehrte – von fremden Tantens besser auch nicht.
 
Ich jedenfalls würde mein Vertrauen nicht überallhin mitnehmen, weil darauf kein Verlaß ist. Das Vertrauen geht ab und zu gern mal flöten. Weshalb auch die Grünen Obermacker und -innen der Basis wieder die richtigen Flötentöne beizubringen versuchen. Aber was dabei herauskommt, ist meist nichts als verquälte Quakerei. Keine Flötentöne, sondern Krötentöne. Ja, sowas kommt von sowas: Denn immer wenn die Grünen mal an irgendeiner Regierung waren, wurden sie ja kulinarisch anspruchsvoll und schluckten jeden Morgen zum Frühstück mindestens drei Kröten. Das nennt man orale Sodomie. Und der einst so hoffnungsvoll begonnene lange Marsch durch die Institutionen endet folgerichtig als Krötenwanderung.
 
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Da ist man bei der Linkspartei nicht so feinschmäcklerisch. Die verhackstücken sich da ganz genossenschaftlich gegenseitig, um sich dann einander zum Fraß vorzuwerfen. Ossis und Wessis in der Faktion haben sich da gegenseitig echt gefressen. Das neue Partei-Motto ist: Kannibalismus statt Sozialismus. Eine höhere Stufe der sozialistischen Mitmenschlichkeit. Schließlich sang schon der olle Brecht: „Und weil der Mensch ein Mensch ist, drum braucht er was zum Fressen bitte sehr...“ Kein Wunder, daß man sich gründlich satt hat, eben weil man einander schwer im Magen liegt. Doch obgleich man sich gegenseitig ungenießbar findet, verkündet die Parteivorsitzende öffentlich unverdrossen: „ICH HAB’ GENOSSEN“!
 
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Im Januar stehen die nächsten Wahlen an in Niedersachsen. Die Piratenpartei liegt da nach einer NDR-Umfrage gleichauf mit der Linkspartei – inzwischen bei matten vier Prozent. Da lautet das Motto mittlerweile:
Erst bloggen und twittern,
dann zagen und zittern.
Oder auch: Erst schippern und entern,
dann bibbern und kentern.
 
Dabei stand der niedersächsische Piratenkahn noch vor ein paar Monaten mit satten acht bis neun Prozent unter vollen Segeln. Aber der Aufwind, der die Piraten vorwärts trieb, erwies sich immer mehr als heiße Luft, die sie selber produzierten. Der Totenkopf auf der Piratenflagge wurde zum unverwechselbaren Markenzeichen dafür, daß es im computergesteuerten Schädel an Programm-Software mangelt und daß der virtuelle Hohlraum dringend auf ein Update wartet.
 
Es reicht eben nicht, sich permanent in politischen Fragen für inkompetent zu erklären und für diese Inkompetenz das Urheberrecht exklusiv zu beanspruchen, man muß diese exklusive Unbedarftheit auch glaubhaft verteidigen können. Nun stellt sich aber in den politischen TV-Quasselshows - etwa zum Thema Euro-Krise - stets von neuem heraus, daß die angeblichen Experten der anderen Parteien ebenso ahnungslos sind wie die Naivlinge von den Piraten. Und damit ist deren Alleinvertretungsanspruch in Sachen politischer Ignoranz nicht mehr glaubhaft. Da sagen die anderen Parteivertreter vollkommen zu Recht zu ihrer neuen Konkurrenz: Was ist eigentlich so neu und besonders an euch? So doof wie ihr waren wir schon lange.
 
Blöderweise meinen etliche Ober-Piraten inzwischen, daß auch sie in allen Sachfragen irgendwie mitreden müßten. Sie sollten sich an den weisen Rat halten, den Mark Twain mal gegeben hat: Es ist besser man hält den Mund und erweckt den Eindruck, dumm zu sein, als ihn aufzumachen und jeden Zweifel zu beseitigen.