Bekenntnisse

Das ZDF 

und meine Meinungsfreiheit

Nr. 556 – vom 26. Oktober 2012
Stolz rühmt man sich beim ZDF, wacker die Fahne der Meinungsfreiheit hochzuhalten, nachdem ein CSU-Sprecher bei der Programmgestaltung ein Machtwörtchen mitreden wollte, aber bei der „Heute“-Redaktion auf taube Ohren gestoßen war. Der Sprecher meinte hinterher, er habe sich wohl versprochen und sei deshalb mißverstanden worden. Es nutzte nichts: Seehofer mußte notgedrungen seinen Versprecher entlassen. Aber was hatte der sich wohl davon versprochen, als er zum Hörer griff? So fragten sich hinterher einige Kommentatoren. Wie kam der Mann als einer von Seehofers Lautsprechern auf die abstruse Idee, er könne als His Master’s Voice beim Mainzer Sender Regie-Anweisungen geben?

Mir scheint diese Frage ziemlich naiv. Der Mann rief dort an, weil er offenbar den fundierten Glauben hatte, daß seine Programmvorschläge Gehör finden könnten. Schließlich handelt es sich beim ZDF um einen Kanal, bei dem die staatstragenden Parteien als Schleusen-Oberaufseher entscheiden, wer da auf die wichtigsten Posten eingeschleust wird. Von den 77 Mitgliedern des ZDF-Fernsehrats ist gerade mal eine knappe Handvoll nicht in irgendeiner Parteifunktion, auch wenn es sich um Vertreter sogenannter „gesellschaftlicher Gruppen“ handelt.

Diese partei-funktionablen Ratsdamen und -herren bilden das letztlich entscheidende Gremium (was lateinisch ist und auf deutsch „der Schoß“ heißt). Dieser Schoß gebiert den Intendanten sowie den Mutterkuchen der Programmgestaltung. Das Gremium „berät“ den Intendanten, so wird das im ZDF-Staatsvertrag umschrieben, und stellt Richtlinien für die Gestaltung von Sendungen auf.

Und wehe, da gestaltet wer eine Sendung nicht entsprechend linientreu. Ich weiß es aus eigener televisionärer Erfahrung. Vor vielen, vielen Jahren habe ich mal bei einer kabarettischen Live-Sendung von 3Sat das Vaterunser vorgebetet, allerdings nicht ganz in der Originalfassung. Das war zu den Hoch-Zeiten der Anti-Atom-Bewegung und ich versuchte die verirrten anti-nuklearen Schäfchen wieder in den Pferch der allgemeinen Tscherno-Debilität zu treiben. Dafür suchte ich göttlichen Beistand, allerdings beim Gott der Unterwelt. Der hieß bei den Römern Pluto und wurde später der Patenonkel vom Plutonium. Also betete ich: „Plutonium unser, das du bist im Brennstab, geheiliget seist du im Namen des Profits!“ (Der ganze tiefgläubige Text war in abgewandelter Form im „Wochenschauer“ vom 24.9.2010 nachzulesen.) Ich hatte dieses Gebet zum Abschluß meines live übertragenen Pontifikalamtes mit der Redaktion nicht abgesprochen, weil ich ahnte, daß man es mir gestrichen hätte aus Angst vor den höheren Mächten auf dem Olymp des Mainzer Lerchenberges (mein automatisches Word-Korrekturprogramm wollte gerade aus dem Lerchenberg einen „Leichenberg“ machen). Jedenfalls brach nach dieser Live-Sendung der fundamental-christliche Sturm los im Fernsehrat des ZDF. Fortan durfte keine Satire-Sendung mehr live gesendet werden. Und ich durchlitt Indendantes Inferno, die ewige Verdammnis. Und ich war fürderhin vom Bildschirm verbannt. Dieser Bannfluch hält bis heute an.

Voller Reue gestehe ich heute: Mea culpa! Mea maxima culpa! Ungestraft versündigt man sich nicht am abendländischen Glaubensbekenntnis. Hätte ich doch bloß eine brutal-blasphemische Parodie auf den Koran verfaßt oder den Propheten als bombensicheren Knallkopp karikiert. Man hätte mich gefeiert als einen unerschrockenen Helden im Kampf gegen die religiös-fundamentalistische Unterdrückung der Meinungsfreiheit. So aber wurde ich selber das Opfer des klerikalen Fundamentalismus, hinfortgespült aus allen Kanälen vom heiligen christlich-orthodoxen Geiste... Eben weil mir das rechte Sendungsbewußtsein fehlt. Denn wie heißt es schon in der Bibel: Mainz ist die Rache, spricht der Herr!