Bekenntnisse

Guter Bulle, böser Nigger

Nr. 557 – vom 2. November 2012
Zunächst ein paar Werbe-Worte in eigener Sache: Immer mal wieder erreichen mich Anfragen nach Büchern, die längst vergriffen sind. Nun wurden neulich in einem dunklen Frankfurter Theaterkeller zwei vergessene Bücherkisten entdeckt mit Rest-Exemplaren meiner Frühwerke: „Wir sind was volkt“, das ultimative Machwerk über den Ur-Sprung in der deutschen Schüssel. Und: „Man wird sie eine Männin heißen“, eine Expedition ins mythische Chaos, wo es um Erschöpfer und Erschöpfte geht, also um die alte Geschichte von dem Mann und von der Frau. Beide Bücher gibt es nun bei mir im Weihnachtssortiment, solange eben der Vorrat reicht. Einzelpreis: 15 €. Beide Bücher zusammen: 25 €. Hier können Sie signierte Exemplare bestellen.

Für 10 € gibt's auch meinen Gedichtband dazu “Geh!Denken – Geh!Dichte!“. Ansonsten gilt der Einzelpreis: 20 €. Das Gleiche gilt für meine Live-DVD “Ich geb's ja zu“. Darauf finden Sie längere Passagen aus der zweiten Halbzeit meines jetzigen Programms „Kassandra, übernehmen Sie!“ Davon wird es diesmal keine CD geben.

Auch bei meinen früheren Programm-CDs weihnachtet es:
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Deutsche Polizisten dürfen Menschen nicht einfach nur wegen ihrer Hautfarbe in öffentlichen Örtlichkeiten kontrollieren. So entschied es das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz. Der Chef der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, gab daraufhin seinen polizeilichen Erkenntnisstand bekannt, nämlich, daß dies die wirklichkeitsfremde Entscheidung einer „schöngeistigen Rechtspflege“ sei. Diesem Dunkelhirnigen  ist eben alles Schöngeistige von vornherein ebenso verdächtig wie alles Dunkelhäutige.

Heribert Prantl kommentierte in der „Süddeutschen“: „Das heißt nichts anderes als daß die Polizei Menschen anderer Hautfarbe auf dem Kieker hat. Es gibt den polizeilichen Pauschalverdacht gegen Farbige. Das aber verstößt gegen mehr Gesetze und Konventionen, als hier aufgezählt werden können.“ Aber was heißt da schon: „gegen Konventionen verstoßen“? Unsere Gesetzeshüter sind in diesem Punkt absolut unkonventionell. Schließlich muß man beim Hüten von Gesetzen als guter Hirte auch darauf achten, daß die Gesetze auf Dauer Bestand haben, also daß sie sich nicht allzu schnell abnutzen. Und das kann leicht passieren, wenn man im alltäglichen Umgang ständig von diesen Gesetzen Gebrauch macht. In diesem Sinne muß der gewissenhafte Gesetzeshüter in erster Linie als Gesetzes-Verhüterli im polizeilichen Einsatz sein.

Ich wurde vor ein paar Monaten Augen- und Ohrenzeuge eines solchen Einsatzes, der sich auf dem Berliner S-Bahnhof Südkreuz abspielte. Ein ordentlich quotiertes mittelaltes Polizisten-Paar war da auf dem Bahnsteig unterwegs – sie hinterrücks mit blonden Pferdeschwanz unter der Schirmmütze, er vorderbauchs mit einem gut gepflegtem kleinen Mollenfriedhof überm Waffengürtel. Die beiden waren dort auf Streife, das Terrain mit wachtmeisterlichen Blicken durchforschend, fahndend nach irgendwelchen Widrigkeiten, die deutscher Ordnung zuwiderlaufen könnten. Sie hielten also ordnungsgemäß Ausschau nach finsteren Figuren mit möglicherweise dunklen Absichten.

Und siehe da, da stand tatsächlich so ein Dunkelmann an ein Treppengeländer gelehnt, scheinbar arglos eine Zeitung lesend. Seine zur Schau gestellte Harmlosigkeit durchschaute das geübte Auge des Gesetzes sofort, denn die Finsternis seiner schwarzen Seele schimmerte ihm durch jede Pore seiner Haut. Ein hinreichender Anfangsverdacht war also gegeben.

Die beiden Vollzugsbeamten schritten stracks auf ihn zu und bauten sich jeweils seitlich vor ihm auf, um so auch jede Flucht nach vorn gleich im Ansatz zu verhindern. „Your papers!“, verlangte der Polizist im harschen Ton. „Please“, ergänzte seine Kollegin leise.

Der Verdächtige meinte verwundert: „The only paper I have, is this one“, sagte er und wies mit einem Kopfnicken auf die „Süddeutsche Zeitung“ in seinen Händen. „But if you want to read it, please take it. I have finished.“

Die Polizisten schauten sich kurz verunsichert an. Nun ja, ein Schwarzer, der die „Süddeutsche“ liest, das wäre sogar in Bayern ungewöhnlich. „Sie sprechen deutsch?“, erkundigte sich die Polizistin.

„Zufälligerweise, weil ich nun mal hier in Berlin geboren bin.“

„Also dann: Ihre Papiere!“, forderte der polizeiliche Bierbauch. „Bitte“, ergänzte wiederum seine Kollegin. Damit war klar, welchen Part sie übernommen hatte im Rollenspiel „Guter Bulle / Böser Bulle“.

„Aber bitte warum?“, fragte der Mann.

„Personenkontrolle. Machen Sie keine Schwierigkeiten.“ Der amtliche Ton war eine Spur harscher geworden. Diesmal kam kein „Bitte“ von der Kollegin.

„Aber warum bin ich die zu kontrollierende Person. Hier stehen doch dutzende von anderen Menschen herum.“ Der Dunkelmann schaute sich um und rief dann im gespielten Erstaunen aus: „Ach, jetzt sehe ich es erst: Das sind gar keine Farbigen. Das sind ja alles Farblose so wie Sie auch. Da bin ich ja der einzige Schwarze hier.“

„Das sehen wir auch“, höhnte der Böse Bulle. „Schließlich sind wir nicht farbenblind.“

„Nee, das kann man Ihnen wirklich nicht unterstellen“, meinte der Schwarze. „Wenn sie mich hier nur aus der Menge herausgegriffen haben wegen meiner Hautfarbe, dann wären Sie ja Rassisten...“

Jetzt war auch die Gute Bullin aufs Bulligste empört und verschärfte ihren Amtston: „Sie bezeichnen uns also als Rassisten. Das ist eine klare Beamtenbeleidigung. Jetzt müssen Sie mit aufs Revier.“

Der Verdächtige hab abwehrend die Hände: „Nein, wie käme ich darauf, Sie als Rassisten zu bezeichnen. Schließlich ist jedweder öffentlich geäußerter Rassismus unter Strafe gestellt. Wenn Sie Rassisten wären, müßten Sie sich ja gegenseitig verhaften.“ Er machte eine kurze Pause und zog einen Ausweis aus der Tasche: „Oder ich müßte Euch verhaften, Kollegen.“

Bulle und Bullin wurden noch weißer vor Schreck als sie es ohnehin waren. Da stand offensichtlich ein Kriminaler vor ihnen, kein Krimineller (und da gibt es zuweilen schon Unterschiede). Als erstes fand der blonde Pferdeschwanz die Sprache wieder und stammelte: „Tscha, offensichtlich ein Irrtum unsererseits. Aber woher hätten wir das wissen sollen?“

Der Schwarze grinste. „Und woher hätte ich wissen sollen, daß Ihr keine Rassisten seid? Und Ihr seid doch keine? Oder?“

Die beiden salutierten weniger zackig als zögerlich und wandten sich wortlos ab. Als sie bei mir vorbeikamen, knurrte der Böse Bulle leise: „Jetzt haben wir auch schon bei uns solche Scheiß-Nigger. Aber von so einem lasse ich mich noch lange nicht als Rassisten bezeichnen.“

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PS: Zugegeben, ganz so pointiert hat sich diese Szene nicht abgespielt. Ich weiß gar nicht, ob es überhaupt einen schwarzen Kriminalbeamten bei der Berliner Polizei gibt. Aber mir wäre es lieber gewesen, wenn sich diese Begebenheit so abgespielt hätte. Tatsächlich hatte ich mich auf dem Bahnhof eingemischt, als zwei Polizisten grundlos einen Schwarzen behördlich anrüpelten. Das hatte zur Folge, daß dann meine Personalien bewußt umständlich und langwierig aufgenommen wurden, um dann noch langwieriger fernmündlich und fernschriftlich gegengescheckt zu werden. Was wiederum zur Folge hatte, daß ich den Zug nach Leipzig verpaßte. Und das hatte dann drittens zur Folge, daß meine Vorstellung in der „Pfeffermühle“ fast ausgefallen wäre. Und das alles geschah deshalb, weil mir diese Polizisten unaufgefordert eine Lektion in Anti-Apartheit erteilen wollten. Alle Farbigkeitsgrenzen überschreitend hatten sie mich gelehrt, wie man sich auch als Weißer schwarz ärgern kann dank unserer antirassistischen Polizei.