Bekenntnisse

Das menschliche Hirn – 

auch nur Hackfleisch vom Gaul?

Nr. 572 – vom 22. Februar 2013
Diesem Wochenschauer habe ich in den letzten Tagen hitzig entgegen gefiebert. Da das auch mit dem Fieberthermometer heftig meßbar war, mußte ich notgedrungen einen Horchposten auf der Matratze beziehen. Nun geht es mir wieder etwas besser, aber ich denke gar nicht daran, mir diese faulenzende Zwangspause durch irgendeine Kolumnenschreiberei zu vermiesen. (Nebenbei: Aus diesem Grund müssen meine für heute und morgen geplanten Tournee-Auftritte leider ausfallen; am Sonntag hoffe ich wieder fit zu sein für die „Wühlmäuse“ und Montag für Hamburg.)

Ursprünglich wollte ich hier die Pferdefleisch-Hysterie satirisch aktuell verhackstücken. Wie gesagt: Das ist gestrichen – aber nicht ersatzlos. In meinen gestammelten Werken findet sich nämlich ein früherer Bericht über einen ganz anderen Pferde-Skandal, der mich schon in meiner Jugend schwer beschäftigt hat. Hier sei er noch einmal wiedergegeben:

Daß Pferde Genie-Bestien sind, die dem menschlichen Intellekt hoch überlegen sind, ist vielleicht nicht jedem unbedingt bekannt. Mein Opa Oskar jedenfalls war davon fest überzeugt. In meiner Knabenzeit, als ich noch ein hilfloses Objekt der deutschen Erziehungsberechtigung war, wurde ich des öfteren in den Schulferien bei ihm zwangsinterniert. In irgendeinem brandenburgischen Kaff an der Spree war das. Mein Großvater hatte dort extra für mich ein Umerziehungslager eingerichtet, weil er meinte, der Junge sei nicht ganz richtig im Kopf. Ich sei vom bösen Geist besessen, so glaubte er, und zwar vom bösen Geist des Widerspruchs. Und nach seiner gesicherten Erfahrung als früherer Aufseher in einem Jugendgefängnis half dagegen nur eine radikale Roßkur.

Wann immer mich Opa Oskar bei unzüchtigen Eigen-Initiativen ertappte, also bei der Selbstbefriedigung durch eigenständiges Denken, bekämpfte er diese geistige Unzucht erbarmungslos mit körperlicher Züchtigung. Er zog mich an den Ohren – und zwar so weit zu sich hinauf, bis ich nahezu abhob vom Boden.  So erfuhr ich früh am eigenen Leib, wie Kinder in Deutschland großgezogen wurden. Dabei sagte mein Opa etwas ganz Seltsames: „Du sollst das Denken den Pferden überlassen, die haben einen größeren Kopf als du.“

Sie lächeln jetzt vielleicht, aber was meinen Sie, mit welcher Ehrfurcht ich damals an den Gäulen in diesem Dorf vorbeigeschlichen bin.

Seine gnadenlose Strafverfolgung hatte meist mehrtägige Isolationshaft zur Folge, sogenannten Stubenarrest. Meine Großmutter übernahm zwar manchmal meine Pflichtverteidigung, um eine Strafminderung zu erreichen, doch da ließ mein Großvater nicht mit sich handeln. In der mündlichen Urteilsbegründung hieß es stets: „Er hat wieder seinen eigenen Kopf!“

Das klang für mich so, als ob ich eine schlimme Krankheit hätte, eine bösartige Auswucherung über dem Kragen. Ein Kind, das damals in Deutschland mit eigenem Kopf zur Welt kam, galt offenbar als Mißgeburt.

Doch auf diese Art sollte ich lernen, daß es überhaupt nicht um meinen Kopf geht, sondern um das Über-Haupt, das über meinen Kopf zu bestimmen hat. Eben das, was einem übergestülpt wird über das eigene Haupt. Ein Ober-Haupt. So wird fremdes Denken in unsere Schädel hineingestampft und hineingestumpft, damit es dann hinterher als Meinungsbildung herausdampft und herausdumpft.

Dann ist das ursprünglich menschliche Hirn tatsächlich von einem Pferdearsch kaum noch zu unterscheiden. Allerdings fällt es im Vergleich mit dem Hintern eines Gauls doch eher dürftig aus. Denn Pferde haben nun mal tatsächlich einen größeren Arsch als wir.

Es ist wirklich zum Wiehern.


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PS. 
Im Februar und März bin ich  bei den Berliner „Wühlmäusen“ mit meinem Programm „Kassandra, übernehmen Sie!“ jeden Sonntag um 16.30 Uhr auf der Bühne – http://www.wuehlmaeuse.de

Weitere Termine:
Am Montag, 25. Februar, in Alma Hoppes Lustspielhaus in Hamburg.
Am 1. März in Schneverdingen in der FZB – Freizeit- und Begegnungsstätte.
Am Sonnabend, 2. März, 20 Uhr, im Berliner "Wirtshaus Moorlake" – http://www.moorlake.de
Näheres siehe Tourneeplan