Bekenntnisse

Das Europa der Großmäuler: 

Die Maul- und Clown-Seuche

Nr. 573 – vom 1. März 2013
Steinbrück, ick hör’ dir trapsen – und zwar mal wieder voll ins Fettnäpfchen hinein. Aber was heißt da Näpfchen! Der Mann macht immer gleich ein ganzes Faß auf, diesmal mit italienischem Vollfett: „Bis zu einem gewissen Grade bin ich entsetzt, dass zwei Clowns gewonnen haben.“ Einerseits hübsch vermerkelt formuliert: „Bis zu einem gewissen Grade“. (Bei Merkel heißt das als Dauerfloskel „ein Stück weit“. So kommentierte sie die einsitzige rot-grüne Übermacht in Niedersachsen: „Ein Stück weit bin ich natürlich enttäuscht.“) Andererseits ist Steinbrücks pauschale Clown-Attacke eine heftige Beleidigung für alle Komiker, zu denen Steinbrück im Zweifel auch mich zählen würde. Mit einer kriminellen Knallcharge wie Berlusconi verglichen zu werden – das muß man sich wirklich nicht bieten lassen. Ich verlange deshalb eine ausdrückliche Entschuldigung von diesem SPD-Kanzlerkandidaten. Um meine Ehre wiederherzustellen, wäre ich auch zu einem Duell auf offener Bühne bereit. Allerdings stellt sich die Frage, ob Steinbrück überhaupt satirisch satisfaktionsfähig ist.

Vielleicht doch. Immerhin ist er selber im Lachdienstleistungsgewerbe tätig. Schließlich ist er seit Monaten als Alleinunterhalter unterwegs und liefert eine Lachnummer nach der anderen ab. Gerade deshalb sollte er mit Kollegen etwas pfleglicher umgehen. Zugegeben: Der Begriff „Alleinunterhalter“ greift in seinem Fall zu kurz. Er hat sich schließlich nie von allein unterhalten, wenn er sich als Vertragskünstler verdingte. Für ihn waren immer diverse Banken-Bosse und Versicherungs-Chefs unterhaltspflichtig.

Zurück an den drückenden Stiefel Europas: Mario Monti, bislang Italiens oberster Geschäftsführer von Merkels Gnaden, wird nun endgültig abgedankt. Vor anderthalb Jahren war er von der deutschen Kanzlerin (und ihren willigen Euro-Kumpanen) in sein Amt gewählt worden – ohne daß das italienische Volk überhaupt gefragt worden wäre. Der frühere Chef-Berater der weltgrößten Zocker-Zentrale Goldman-Sachs zog das Merkelsche Spardiktat gnadenlos durch – zur dankbaren Zufriedenheit der Finanzwelt, die sein eigentliches Zuhause ist. 

Im Gegengeschäft kaufte ihm die Europäische Zentralbank marode Staatsanleihen ab, um die italienischen Großbanken abzusichern. Wozu hat man schließlich alte Kumpel. Denn der Chef der EZB ist auch ein italienischer Mario, mit Nachnamen Draghi, der bei Goldman-Sachs bis zum Jahr 2005 sogar Vizepräsident war. Dieser Herr Draghi hatte einst im Auftrag seiner US-Bosse die griechischen Staatsfinanzen mitfrisiert, wobei Goldman-Sachs einen Riesen-Reibach machte. Heute bestimmt er eigenmächtig, welche Regierungen durch den Ankauf von Schrottpapieren gestützt werden und welche nicht. Und kein europäischer Wähler kann ihm da reinreden, weil er sich nie einem Wähler-Votum zu stellen braucht. Dafür sollte ihm das Wahlvolk dankbar sein, daß es nicht ständig durch Wahlentscheidungen belastet wird. Und dankbare Ergebenheit hatten beide Marios bei der jetzigen Wahl auch von den italienischen Massen erwartet.

Vonwegen! Das Volk erwies sich mal wieder als absolut verständnislos. Es wollte in seiner schieren finanzpolitischen Unvernunft einfach nicht kapieren, warum es in Massen-Haft genommen wurde, also massenhaft in Haftpflicht genommen für die Billionen von Wettschulden, die die globalen Abzocker in den Banken-Casinos verzockt hatten. Nun ist das Volk ohnehin ein massenhafter Störfaktor im universalen Imperium der Finanzmärkte. Deshalb fehlt es ja nicht an Versuchen, diesen Störfaktor irgendwie zu beseitigen. Am besten wäre es ohnehin, das Volk ganz abzuschaffen. Denn wer ist schließlich schuld, wenn Massenarbeitslosigkeit und Massenelend ins Unermeßliche wachsen? Natürlich die Massen selbst. Gäbe es keine Massen, gäbe es auch keine massenhafte Arbeitslosigkeit.

Immerhin gibt es immer mehr Einsichtige, die diese Selbstverschuldung reumütig erkennen und die Konsequenzen daraus ziehen. Sie tun finale Buße. Die sprunghaft gestiegenen Selbstmord-Raten in den südlichen Ländern Europas zeugen davon. So wird endlich ein dauerhafter Ausweg aus der Euro-Krise aufgezeigt: Massen-Suizid als freiwillige Wahl-Entscheidung vor dem letzten Urnengang. Das wäre wahrscheinlich das, was Merkel mit „marktgerechter Demokratie“ meint.

Wenn das Volk sich dann selber endgültig abgewählt hätte, wäre jede weitere Wahl überflüssig. Denn man sieht ja am italienischen Beispiel, daß das Volk einfach zu blöd ist zum Wählen. Obwohl alle europäischen Oberlehrer den Italienern eindeutig gesagt hatten, wo sie ihr Kreuz zu machen hätten – nee, die kreuzten mal wieder an der falschen Stelle rum. Das Volk verwählt sich eigentlich permanent. Und so haben auch Komiker mal eine Chance. Irgendwann ist auch meine Stunde gekommen. Beim Grillo warte ich allerdings mit meinem Urteil ab; dessen wichtigstes Wahlkampfthema war ja die Korruption der gesamten politischen Klasse. 

Doch solche Demagogen wie Berlusconi wären aufgeschmissen ohne die aktive Wahlhilfe der deutschen Kanzlerin. Europas Sado-Maso-Queen peitschte die ängstlich blökenden Schäfchen direkt in den Pferch des wölfischen Leithammels, der da im Schafspelz ihrer harrte. Angela, die Engelsgleiche, ist inzwischen zum Schutzengel aller europäischen Volksverhetzer geworden. Ständig jettet sie von einem Euro-Gipfel zu anderen, schwebt in angelesken Höhen überirdisch abgehoben hoch über dem Boden der sozialen Tatsachen dahin. Mit ihren weit ausgebreiteten Schwingen verschattet sie den ganzen südlichen Kontinent, so daß die da schon lange keine Sonne mehr sehen. Sehet hinan, dort rauscht er vorbei: Der Todesengel aus der Uckermark.

Wäre Peer Steinbrück tatsächlich das, was er vorgibt zu sein, nämlich ein oppositioneller Gegen-Kandidat, dann wäre dieser Merkelsche Fluch, der über Südeuropa lastet, sein Thema gewesen. Längst hätte er alle Geschütze zur Fluch-Abwehr in Stellung gebracht. Aber das kann er nicht, weil er selbst nur ein Sparkassen-Gehilfe des Austerität-Dogmas ist. Statt eines neuen europäischen Polit-Konzepts hat er nur clownige Bemerkungen zu bieten.

So ist er nur ein weiteres europäischen Großmaul im allgemeinen Gemaule der grassierenden Maul- und Clown-Seuche.


+++


PS. 
Im März bin ich  bei den Berliner „Wühlmäusen“ mit meinem Programm „Kassandra, übernehmen Sie!“ jeden Sonntag um 16.30 Uhr auf der Bühne – http://www.wuehlmaeuse.de

Weitere Termine:
Am 1. März in Schneverdingen in der FZB – Freizeit- und Begegnungsstätte.
Am Sonnabend, 2. März, 20 Uhr, im Berliner "Wirtshaus Moorlake" – http://www.moorlake.de
Am Donnerstag, 21. März, 20 Uhr im CAPITOL in Königs Wusterhausen.
Näheres siehe Tourneeplan