Sommerliches
Whistleblowing
Nr. 585 – vom 2. August 2013
Nein, nein, nein! Sind Sie denn von allen guten Geistern der Sicherheitspolitik verlassen, dass Sie es wagen, diese Mail zu empfangen oder mich gar auf facebook anzuklicken. Jetzt sind Sie unweigerlich drin im worldwide Web, das die Geheimdienste ausgespannt haben, damit ihnen solche schrägen Vögel wie Sie ins gut getarnte Netz gehen. Allein schon die Tatsache, dass Sie überhaupt einen Internet-Anschluss haben und dazu vielleicht auch noch ein Mobiltelefon, macht Sie hinreichend verdächtig. Wozu braucht man so etwas, wenn man nicht ein verkappter Terrorist ist? Und wenn Sie gar mit dem Gedanken spielen, ihre elektronischen Botschaften künftig zu verschlüsseln, dann können Sie sich gleich beim BND melden, damit der Ihnen möglicherweise über eine befreundete Reise-Agentur einen Freiflug nach Guantanamo vermittelt. Aber wahrscheinlich sind Sie ohnehin als Leser dieser Seite längst bei der amerikanischen NSA registriert. Doch davon weiß der BND natürlich nichts, weil der nie von nichts was weiß. Nur darf das keiner wissen. Denn es ist natürlich höchststufig geheim, dass der BND nie von nichts was weiß. Das weiß noch nicht einmal der BND selber. Die geheimen Dienstler waren und sind total ahnungslos, wie der diensthabende Merkel-Vertraute Ronald Pofalla streng vertraulich im Fernsehen kundtat. Offenbar sind da nur Pfeifen beschäftigt. Pfeifen, auf die man eigentlich pfeifen könnte. Nur wäre man dann ja ein Pfeifenbläser, eben ein Whistleblower. Und wer will das schon riskieren?!
Otto Schily,
der Wind-Blower
Das Sommerloch ließ unvermutet einen heftigen toskanischen Wind fahren, und der blies der SPD mit Häme ins Wahlkampf-Konzept. Der Wind-Blower war Otto Schily, der sich im „Spiegel“-Gespräch selbst befragte. Und zwar fragte er sich, was eigentlich so schlimm sei an der Daten-Abgrabscherei des amerikanischen Big Brother. Seine Begründung: „Das wäre im Prinzip die gleiche Methode, die wir als Vorratsdatenspeicherung kennen.“ Und diese Speicher-Methode wird von der SPD ausdrücklich verteidigt – getreu der Gebrauchsanweisung aus dem sozialdemokratischen Otto-Katalog: „Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich endlich Daten sehen.“ Wo Schily recht hat, hat er recht. Das Prinzip lautet, den Bürger als potentiell Verdächtigen abzuspeichern – auf Vorrat für Notzeiten. Und da muss man rechtzeitig zulangen. Nichts anderes bedeutet nebenbei das Wort „Prinzip“ – abgeleitet vom lateinischen prin-cipere; soll heißen: zuerst zugreifen. Also: Auf null Verdacht hin erst einmal Zugriff haben auf den Daten-Pool. Und natürlich langt man mit der Rechten zu. Sollte irgendwann mal wieder ein sozialdemokratischer Minister als rechter Handlanger im Bund aktiv sein, kann er sich stets auf das alte SPD-Motto zur inneren Sicherheit berufen: „Einer muss der Schily sein!“
Ein Superminister
für die Staatssicherheit
Apropos: Von Schily könnte auch der Spruch von der Sicherheit als „Supergrundrecht“ stammen. Er hätte am liebsten schon früher das Grundgesetz durch den Fleischwolf gedreht (also: Schily con carne – ich kann’s mir nicht verkneifen!). Aber es war der CSU-Nachfolger Friedrich, der auf die Idee kam, die Sicherheit als oberstes Grundrecht des Staates zu proklamieren. Moment mal! Das mit der Staatssicherheit kommt einem irgendwie bekannt vor. Zumindest in dieser Hinsicht war die DDR einst echt super. Da war das Supergrundrecht der Sicherheit unangetastet. Und es ist ja wohl verständlich, daß man andere Grundrechte beim prinzipiellen Zugriff aus Sicherheitsgründen nicht so schonend behandeln kann. Der Bürger hat gefälligst stille zu halten, wenn er datenmäßig abgetastet wird. Vonwegen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Der Grundgesetz-Artikel Nummer Eins wird so zum Ramsch-Artikel auf dem Grabbeltisch im Supermarkt der Regierung. Die Kanzlerin nennt das „marktgerechte Demokratie“. Eine Super-Markt-Wirtschaft. Mit Sicherheit ganz super.
Freiheit
unseren Daten!
Superschlaue Kommentatoren – etwa in der „FAZ“ – sabbeln ganze Spalten voll, um den Leser davon zu überzeugen, dass der sich bei der Daten-Absonderung gefälligst mehr zurückhalten solle. Der Tenor solcher Verlautbarungen ist immer gleich: Der Bürger ist selbst daran schuld, wenn seine Daten überwacht werden. Schließlich stünde es ihm frei, sich in Daten-Abstinenz zu üben. Nur so könne der Staatsbürger für den Schutz seiner verfassungsrechtlich verbrieften Freiheiten sorgen. Denn nicht der Staat hat sich um den Schutz der Grundrechte zu kümmern, sondern der Bürger selbst. Eine einleuchtende Logik: Und der Bürger schützt sein Grundrecht auf Kommunikationsfreiheit am wirkungsvollsten dadurch, dass er erst gar nicht kommuniziert.
Auch dies nebenbei ein bewährtes Demokratie-Konzept aus einer früheren deutschen Republik, die sich mit einem ihrer Vornamen als „demokratische“ anreden ließ. In der Verfassung der DDR war zum Beispiel die Meinungsfreiheit ausdrücklich garantiert. Voraussetzung war lediglich, dass man die richtige Meinung hatte. Insofern war es für den DDR-Bürger am sichersten, gar keine Meinung zu haben, zumindest keine eigene – zumindest nicht in der Öffentlichkeit. So wurde auch die Redefreiheit im Osten bestens geschützt. Da musste keiner Angst haben vor irgendwelchen Bespitzelungen und Lauschangriffen. Man musste eben nur die Klappe halten.
Wenn Merkel sich verschwört
Peer Steinbrück, immer noch SPD-Kandidat, warf der Kanzlerin vor, ihren Amtseid verletzt zu haben. Amtseide sind eine alberne Pflicht, die zum Job eines gekürten Oberhaupts nun mal dazu gehören, obwohl keiner genau weiß warum. Jedenfalls erledigt man solche lästigen Rituale am besten gleich zu Beginn einer Regierungszeit; dann hat man das hinter sich. Deshalb werden Amtseide in Deutschland sofort abgelegt, wenn man sie sich geleistet hat. Steinbrück beanstandet nachträglich Folgendes: Bei ihrer erneuten Amtseinführung habe Angela Merkel ausgesagt – wohl wissend, dass sie unter Eid stand –, sie werde das Grundgesetz „wahren und verteidigen“. So wahr ihr Gott helfe. Nun war Gott hinterher offenbar nicht besonders hilfreich, weil er wohl anderweitig beschäftigt war, aber dafür kann schließlich die Kanzlerin nichts. Möglicherweise hat sie sich beim Schwören sogar gedacht: „So ein Eid ist schließlich was ganz Persönliches, also meine private Angelegenheit. Dies ist mein Eid.“ Das sollte man ihr nachsehen. Sie hat sich beim Schwören eben etwas vertan. Aber mein Gott, man wird sich in Deutschland auch mal verschwören dürfen.
Dem Volke hatte sie amtseidlich auch noch versichert, daß sie „Schaden von ihm wenden“ werde. Damit hat sie ganz sicherlich zusätzlichen Schaden gemeint, denn den nie behobenen Dachschaden beim größten Teil des Volks konnte sie nicht mehr verhindern. Sonst wäre sie auch nicht gewählt worden. Wie immens diese ruinösen Beschädigungen im Oberstübchen ihres Volkes sind, kann die Kanzlerin den allwöchentlichen Schadensmeldungen der demoskopischen Institute entnehmen. Je offener sie zeigt, wie sehr ihr wesentliche Freiheitsrechte des Volkes genau dort vorbeigehen, wo ihr Kreuz endet, um so mehr wächst im Volke die Bereitschaft, bei ihr zu Kreuze zu kriechen, zumindest zum Wahlkreuze. So wird eines immer sicherer: Bald wird sie wieder den Amtseid aus der Ablage holen. Da kann uns auch Gott nicht mehr helfen.
PS.
Zur Zeit erscheint dieser Satire-Blog unregelmäßig. Vielleicht schauen Sie zwischendurch mal auf der Web-Seite eines Kollegen und Freundes aus linken Journalisten-Zeiten vorbei: www.walter-view.de. Jürgen Walters hintergründige Polit-Analysen, seine informativen Reiseberichte, seine eigenwilligen Literatur-Betrachtungen lege ich Ihnen wärmstens ans Herz und ans Hirn. Aktuell beschäftigt er sich gerade mit Snowdon und der Feigheit Europas; mit dem Profiling der NSA und anderer Dienste; mit dem Ausnahme-Schriftsteller Malcom Lowry. Er selbst schreibt über seine Themen: „Literatur, die von den Feuilletons vernachlässigt wird, soll ins Bewusstsein gerückt werden. ‚Abseitige’ politische Themen, von den Medien meist im Konsens gemieden, werden ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt, und der ganz gewöhnliche Wahnsinn in Alltag und Allmacht wird liebevoll skizziert.“
Und noch ein PS.
Am Sonntag, 4.8. um 20 Uhr kommt noch mal mein Programm „Kassandra, übernehmen Sie“ auf die Bühne der „Wühlmäuse“. Ich komme dann auch. Vielleicht auch Sie? Das Theater ist jedenfalls gut klimatisiert. Ob der Künstler cool bleibt, ist noch die Frage.
Otto Schily,
der Wind-Blower
Das Sommerloch ließ unvermutet einen heftigen toskanischen Wind fahren, und der blies der SPD mit Häme ins Wahlkampf-Konzept. Der Wind-Blower war Otto Schily, der sich im „Spiegel“-Gespräch selbst befragte. Und zwar fragte er sich, was eigentlich so schlimm sei an der Daten-Abgrabscherei des amerikanischen Big Brother. Seine Begründung: „Das wäre im Prinzip die gleiche Methode, die wir als Vorratsdatenspeicherung kennen.“ Und diese Speicher-Methode wird von der SPD ausdrücklich verteidigt – getreu der Gebrauchsanweisung aus dem sozialdemokratischen Otto-Katalog: „Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich endlich Daten sehen.“ Wo Schily recht hat, hat er recht. Das Prinzip lautet, den Bürger als potentiell Verdächtigen abzuspeichern – auf Vorrat für Notzeiten. Und da muss man rechtzeitig zulangen. Nichts anderes bedeutet nebenbei das Wort „Prinzip“ – abgeleitet vom lateinischen prin-cipere; soll heißen: zuerst zugreifen. Also: Auf null Verdacht hin erst einmal Zugriff haben auf den Daten-Pool. Und natürlich langt man mit der Rechten zu. Sollte irgendwann mal wieder ein sozialdemokratischer Minister als rechter Handlanger im Bund aktiv sein, kann er sich stets auf das alte SPD-Motto zur inneren Sicherheit berufen: „Einer muss der Schily sein!“
Ein Superminister
für die Staatssicherheit
Apropos: Von Schily könnte auch der Spruch von der Sicherheit als „Supergrundrecht“ stammen. Er hätte am liebsten schon früher das Grundgesetz durch den Fleischwolf gedreht (also: Schily con carne – ich kann’s mir nicht verkneifen!). Aber es war der CSU-Nachfolger Friedrich, der auf die Idee kam, die Sicherheit als oberstes Grundrecht des Staates zu proklamieren. Moment mal! Das mit der Staatssicherheit kommt einem irgendwie bekannt vor. Zumindest in dieser Hinsicht war die DDR einst echt super. Da war das Supergrundrecht der Sicherheit unangetastet. Und es ist ja wohl verständlich, daß man andere Grundrechte beim prinzipiellen Zugriff aus Sicherheitsgründen nicht so schonend behandeln kann. Der Bürger hat gefälligst stille zu halten, wenn er datenmäßig abgetastet wird. Vonwegen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Der Grundgesetz-Artikel Nummer Eins wird so zum Ramsch-Artikel auf dem Grabbeltisch im Supermarkt der Regierung. Die Kanzlerin nennt das „marktgerechte Demokratie“. Eine Super-Markt-Wirtschaft. Mit Sicherheit ganz super.
Freiheit
unseren Daten!
Superschlaue Kommentatoren – etwa in der „FAZ“ – sabbeln ganze Spalten voll, um den Leser davon zu überzeugen, dass der sich bei der Daten-Absonderung gefälligst mehr zurückhalten solle. Der Tenor solcher Verlautbarungen ist immer gleich: Der Bürger ist selbst daran schuld, wenn seine Daten überwacht werden. Schließlich stünde es ihm frei, sich in Daten-Abstinenz zu üben. Nur so könne der Staatsbürger für den Schutz seiner verfassungsrechtlich verbrieften Freiheiten sorgen. Denn nicht der Staat hat sich um den Schutz der Grundrechte zu kümmern, sondern der Bürger selbst. Eine einleuchtende Logik: Und der Bürger schützt sein Grundrecht auf Kommunikationsfreiheit am wirkungsvollsten dadurch, dass er erst gar nicht kommuniziert.
Auch dies nebenbei ein bewährtes Demokratie-Konzept aus einer früheren deutschen Republik, die sich mit einem ihrer Vornamen als „demokratische“ anreden ließ. In der Verfassung der DDR war zum Beispiel die Meinungsfreiheit ausdrücklich garantiert. Voraussetzung war lediglich, dass man die richtige Meinung hatte. Insofern war es für den DDR-Bürger am sichersten, gar keine Meinung zu haben, zumindest keine eigene – zumindest nicht in der Öffentlichkeit. So wurde auch die Redefreiheit im Osten bestens geschützt. Da musste keiner Angst haben vor irgendwelchen Bespitzelungen und Lauschangriffen. Man musste eben nur die Klappe halten.
Wenn Merkel sich verschwört
Peer Steinbrück, immer noch SPD-Kandidat, warf der Kanzlerin vor, ihren Amtseid verletzt zu haben. Amtseide sind eine alberne Pflicht, die zum Job eines gekürten Oberhaupts nun mal dazu gehören, obwohl keiner genau weiß warum. Jedenfalls erledigt man solche lästigen Rituale am besten gleich zu Beginn einer Regierungszeit; dann hat man das hinter sich. Deshalb werden Amtseide in Deutschland sofort abgelegt, wenn man sie sich geleistet hat. Steinbrück beanstandet nachträglich Folgendes: Bei ihrer erneuten Amtseinführung habe Angela Merkel ausgesagt – wohl wissend, dass sie unter Eid stand –, sie werde das Grundgesetz „wahren und verteidigen“. So wahr ihr Gott helfe. Nun war Gott hinterher offenbar nicht besonders hilfreich, weil er wohl anderweitig beschäftigt war, aber dafür kann schließlich die Kanzlerin nichts. Möglicherweise hat sie sich beim Schwören sogar gedacht: „So ein Eid ist schließlich was ganz Persönliches, also meine private Angelegenheit. Dies ist mein Eid.“ Das sollte man ihr nachsehen. Sie hat sich beim Schwören eben etwas vertan. Aber mein Gott, man wird sich in Deutschland auch mal verschwören dürfen.
Dem Volke hatte sie amtseidlich auch noch versichert, daß sie „Schaden von ihm wenden“ werde. Damit hat sie ganz sicherlich zusätzlichen Schaden gemeint, denn den nie behobenen Dachschaden beim größten Teil des Volks konnte sie nicht mehr verhindern. Sonst wäre sie auch nicht gewählt worden. Wie immens diese ruinösen Beschädigungen im Oberstübchen ihres Volkes sind, kann die Kanzlerin den allwöchentlichen Schadensmeldungen der demoskopischen Institute entnehmen. Je offener sie zeigt, wie sehr ihr wesentliche Freiheitsrechte des Volkes genau dort vorbeigehen, wo ihr Kreuz endet, um so mehr wächst im Volke die Bereitschaft, bei ihr zu Kreuze zu kriechen, zumindest zum Wahlkreuze. So wird eines immer sicherer: Bald wird sie wieder den Amtseid aus der Ablage holen. Da kann uns auch Gott nicht mehr helfen.
PS.
Zur Zeit erscheint dieser Satire-Blog unregelmäßig. Vielleicht schauen Sie zwischendurch mal auf der Web-Seite eines Kollegen und Freundes aus linken Journalisten-Zeiten vorbei: www.walter-view.de. Jürgen Walters hintergründige Polit-Analysen, seine informativen Reiseberichte, seine eigenwilligen Literatur-Betrachtungen lege ich Ihnen wärmstens ans Herz und ans Hirn. Aktuell beschäftigt er sich gerade mit Snowdon und der Feigheit Europas; mit dem Profiling der NSA und anderer Dienste; mit dem Ausnahme-Schriftsteller Malcom Lowry. Er selbst schreibt über seine Themen: „Literatur, die von den Feuilletons vernachlässigt wird, soll ins Bewusstsein gerückt werden. ‚Abseitige’ politische Themen, von den Medien meist im Konsens gemieden, werden ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt, und der ganz gewöhnliche Wahnsinn in Alltag und Allmacht wird liebevoll skizziert.“
Und noch ein PS.
Am Sonntag, 4.8. um 20 Uhr kommt noch mal mein Programm „Kassandra, übernehmen Sie“ auf die Bühne der „Wühlmäuse“. Ich komme dann auch. Vielleicht auch Sie? Das Theater ist jedenfalls gut klimatisiert. Ob der Künstler cool bleibt, ist noch die Frage.