Nachtgebet am Hauptbahnhof:
Muttis Hände
Nr. 587 – vom 6. September 2013
Der Berliner Hauptbahnhof hat zur Zeit eine besondere Attraktion zu bieten. Nun würde es mir, der ich ein ständiger Bahnfahrer bin, als Sensation schon reichen, wenn die Bahn auch mal wirklich fährt – und wenn möglich, sogar pünktlich. Man soll andererseits nichts Unmögliches verlangen von den Bahn-Chefs. Die könnten sauer werden und sich rächen. Steht ja über jedem Fahrplan: Mainz ist die Rache....
Genug der Abschweifung! Die Attraktion – am Berliner Hauptbahnhof über eine ganze Gebäude-Breite gepostet – ist eine gigantische Handreichung unserer Kanzlerin, wobei sie allerdings die Hand (genauer: die Hände) sich selber reicht. Da sieht man übermerkelgroß, wie zwei Hände in Frieden aneinander ruhen. Nur die Fingerspitzen berühren sich. Eine bescheidene Fingerübung, die im Wahlkampf zu ihrem besonderen Markenzeichen wird. Ein Symbol des frommen Stillstands: Die Daumen und Zeigefinger bilden in dieser Geste einen gespreizten Hohlraum. Ein absolutes Vakuum andeutend, ein tiefgründiges Nichts. Ein künftiges Regierungsprogramm – so könnten es gehässige Beobachter auslegen.
Doch dieses Nichts ist ja ein begrenztes, im konkreten Fall: ein von ihr umfingertes. Ein umrandetes Nichts nennt man ein Loch. Das also ist der Fingerzeig, den uns die Kanzlerin geben will. Wie gehabt: Außen herum ist der Rand – und in der Mitte ist das Nichts. Genau das gibt die Kanzlerin in ihren Wahlreden kund: „Wir sind die Mitte!“ Eine Nichts-sagende Auskunft. Wer hätte anderes von unserer Mitte-Mutti erwartet.
Apropos Mutti. Kurt Tucholsky hat auch mal über „Mutterns Hände“ gedichtet. Es ist eines der wenigen Tucholsky-Gedichte, die ich zu dicke aufgetragen finde. Das sanft-kitschige Pathos (besonders in der letzten Strophe) wurde nur dadurch abgemildert, dass er es im Berliner Idiom verfremdet hat. Und so beginnt das Gedicht:
Hast uns Stulln jeschnitten
un Kaffe jekocht
un de Töppe rübajeschohm (...)
alles mit deine Hände.
Ich habe mir frecherweise erlaubt, mich bei Tucholsky zu bedienen zwecks Inspiration. Hier also Merkel-Muttis Handreichung in der Version Buchholzscher Gebrauchslyrik:
Muttis Hände
Hast uns anjeschmiert
un übern Löffel balbiert
un imma dein eijenet Süppchen jekocht.
Hast dir die Kerle untajejocht.
Die röchelten alle am Ende.
Erst haste geheuchelt,
denn haste jemeuchelt.
Alles mit deine Hände.
Reichst jern mal wat rüba
für die janz jroßen Schieba.
Die hörn ja nich uff, dich zu lohm.
Die woll’n dich für imma da ohm.
So kriejense dauand wat zujeschohm.
Milliarden ohne Ende.
Alles mit deine Hände.
Dein Motto war imma: Nur keen Tumult!
So haste det Volk innen Schlaf jelullt.
Da heeßtet nur noch: Na denn, jute Nacht!
Der Bürja, der pennt, aba Mutti, die wacht.
So merktet keena wie du hintarücks
dem Pennbruda die Kehle zudrückst.
Eens kannste dem Bürja verbürjen:
Du wirst ihn würjen und würjen
bis zum bittasten Ende.
Alles mit deine Hände.
Genug der Abschweifung! Die Attraktion – am Berliner Hauptbahnhof über eine ganze Gebäude-Breite gepostet – ist eine gigantische Handreichung unserer Kanzlerin, wobei sie allerdings die Hand (genauer: die Hände) sich selber reicht. Da sieht man übermerkelgroß, wie zwei Hände in Frieden aneinander ruhen. Nur die Fingerspitzen berühren sich. Eine bescheidene Fingerübung, die im Wahlkampf zu ihrem besonderen Markenzeichen wird. Ein Symbol des frommen Stillstands: Die Daumen und Zeigefinger bilden in dieser Geste einen gespreizten Hohlraum. Ein absolutes Vakuum andeutend, ein tiefgründiges Nichts. Ein künftiges Regierungsprogramm – so könnten es gehässige Beobachter auslegen.
Doch dieses Nichts ist ja ein begrenztes, im konkreten Fall: ein von ihr umfingertes. Ein umrandetes Nichts nennt man ein Loch. Das also ist der Fingerzeig, den uns die Kanzlerin geben will. Wie gehabt: Außen herum ist der Rand – und in der Mitte ist das Nichts. Genau das gibt die Kanzlerin in ihren Wahlreden kund: „Wir sind die Mitte!“ Eine Nichts-sagende Auskunft. Wer hätte anderes von unserer Mitte-Mutti erwartet.
Apropos Mutti. Kurt Tucholsky hat auch mal über „Mutterns Hände“ gedichtet. Es ist eines der wenigen Tucholsky-Gedichte, die ich zu dicke aufgetragen finde. Das sanft-kitschige Pathos (besonders in der letzten Strophe) wurde nur dadurch abgemildert, dass er es im Berliner Idiom verfremdet hat. Und so beginnt das Gedicht:
Hast uns Stulln jeschnitten
un Kaffe jekocht
un de Töppe rübajeschohm (...)
alles mit deine Hände.
Ich habe mir frecherweise erlaubt, mich bei Tucholsky zu bedienen zwecks Inspiration. Hier also Merkel-Muttis Handreichung in der Version Buchholzscher Gebrauchslyrik:
Muttis Hände
Hast uns anjeschmiert
un übern Löffel balbiert
un imma dein eijenet Süppchen jekocht.
Hast dir die Kerle untajejocht.
Die röchelten alle am Ende.
Erst haste geheuchelt,
denn haste jemeuchelt.
Alles mit deine Hände.
Reichst jern mal wat rüba
für die janz jroßen Schieba.
Die hörn ja nich uff, dich zu lohm.
Die woll’n dich für imma da ohm.
So kriejense dauand wat zujeschohm.
Milliarden ohne Ende.
Alles mit deine Hände.
Dein Motto war imma: Nur keen Tumult!
So haste det Volk innen Schlaf jelullt.
Da heeßtet nur noch: Na denn, jute Nacht!
Der Bürja, der pennt, aba Mutti, die wacht.
So merktet keena wie du hintarücks
dem Pennbruda die Kehle zudrückst.
Eens kannste dem Bürja verbürjen:
Du wirst ihn würjen und würjen
bis zum bittasten Ende.
Alles mit deine Hände.