Bekenntnisse

Warum ich meine Hände 

vom Schoß der Kanzlerin lasse

Nr. 606 – vom 31. Januar 2014
Soll keiner sagen, unsere Kanzlerin sei nicht freigiebig und wolle alles für sich behalten. Nein, sie gibt gerne was ab. In dieser Woche sogar eine Regierungserklärung. Das fand ich sehr großzügig von ihr, wenn auch völlig nutzlos. Nach dieser Regierungserklärung kann ich mir diese Regierung erst recht nicht erklären. Immerhin habe ich so viel verstanden, dass die Kanzlerin für jedermann gerne Plätzchen bäckt. Allgemeinplätzchen, die sie dann als Glückskekse anpreist. Wahrscheinlich, weil sie einem schwer auf den Keks gehen.

Allerdings blieben mir die meisten ihrer Glücks-Orakelsprüche rätselhaft. Beispielsweise teilte sie mir mit, dass in ihrem Mittelpunkt der Mensch stünde, also ich. Aber was habe ich in ihrem Mittelpunkt verloren, wo immer der sein mag? Oder muß ihre Aussage ganz anders gelesen werden. Nämlich so: „Der Mensch ist stets unser Mittel. Punkt.“

Andererseits fordert sie uns auf, die Hände nicht länger in den Schoß zu legen. Von welchem Schoß redete sie da wohl? Von ihrem? Da hatte ich noch nie meine Hand im Spiel. Falls sie aber meinen Schoß gemeint haben sollte, so halte ich das für eine unverschämte Einmischung in meine Intimsphäre. Die strenge Ermahnung, meine Hände von meinem Schoß fern zu halten, habe ich zum letzten Mal von meinem Opa Oskar gehört in der Vor- und Frühgeschichte meiner Pubertät. Aber möglicherweise habe ich da etwas missverstanden. 

Und was hat sie gemeint mit der Verkündigung, dass sie uns „zu den Quellen des guten Lebens“ führen will? Wo, bitte sehr, sprudeln diese Quellen in der unendlichen Natur? Eine faustische Frage, die da plötzlich im Raum herumstand: „Wo fass ich dich, unendliche Natur? Euch Brüste wo? Euch Quellen allen Lebens?“ Doch Goethe, der sich so als verbaler Busengrabscher outete, führt uns da auch nicht weiter. 

Glücklicherweise hat die Kanzlerin bei der Quellensuche einen Richtungsweiser: „Unser Kompass ist die soziale Marktwirtschaft.“ Das nämlich ist „unsere Orientierung“. Nun zeigen Kompassnadeln ja konsequent nach Norden; „Orientierung“ hingegen ist vom Orient abgeleitet, also vom Osten. Eine Orientierung wäre mithin eine Veröstlichung. Nun ja, vielleicht hat die Merkel noch einen alten DDR-Kompass aus ihren jugendbewegten FDJ-Tagen, wo sie dereinst als Kader an der Akademie der Wissenschaften für Agitation und Propaganda zuständig war. 

Die verheerenden Spätfolgen dieser propagandistischen Grundschulung spürte man auch an diesem Mittwoch wieder, als sie ans Rednerpult im Bundestag trat. Wenn sie zu reden anhebt, bricht ja immer wieder ein rhetorischer Tornado los, der alles hinwegfegt. Die furiose agitatorische Wucht ihrer feurigen Reden, diese aufwühlende, atemberaubende Sprachgewalt, gepaart mit ihrer charismatischen Ausstrahlung… das bringt jeden Plenarsaal zum Kochen. Irgendwann sind die Abgeordneten so erschöpft von ihrer mitreissenden, aufpeitschenden Eloquenz, dass sie reihenweise zusammenbrechen und in den Dämmerzustand des Wachkomas verfallen. 

Wahrscheinlich waren die letzten Worte der Merkelschen Regierungserklärung: „Ruhet in Frieden!“ Ich habe dieses Schlusswort allerdings nicht mehr gehört, weil auch ich auf dem Sofa vor meinem Fernseher unsanft entschlafen war.


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PS. Mein neues Programm läuft am Montag, 3. Februar, in Dresden in der Herkusleskeule. Berlin steht wieder am 9. und 23. März bei mir auf dem Plan – dann allerdings in der „Distel“. Auch da hat der Vorverkauf begonnen.
Mehr Informationen gibt es in meinem Tourneeplan.