Bekenntnisse

Dütschland, Dütschland
über alles!

Nr. 608 – vom 10. Februar 2014
Dütschland, Dütschland über alles! Unseren Schweizer Nachbarn eilt ja manch übler Ruf hinterher: So leidet das dortige Bergvolk an einer angeborenen schweren Rachenentzündung, die man in medizinischen Fachkreisen „Schwyzerdütsch“ nennt. Die sanft Dahinröchelnden sind nicht gerade schwestern-freundlich, weil sie „ein einig Volk von Brüdern“ sein wollen und das Stimmrecht für weibliche Mitbürger erst Jahrzehnte nach so feministisch engagierten Staaten wie Afghanistan und der Türkei eingeführt haben. Was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass sie sich gerne etwas Zeit lassen; sind sie doch eher von bedächtiger Art, um es extrem höflich auszudrücken. Die Erfindung der Langsamkeit: Nun, wer hat’s erfunden? Mit entsprechender Verzögerung haben sich jetzt erst bei den Alm-Öhis Forschungsergebnisse aus dem 14. Jahrhundert vor Christi herumgesprochen, die besagen, dass die Schweiz mitten in Europa liegt, ja, dass sie regelrecht umzingelt ist von der Europäischen Union. Und plötzlich tönte es von allen Matterhörnern in die Täler hinab: „Fuck you, EU!“

Das ist jetzt nicht direkt schwyzerdütsch, sondern mehr schwyzerünglüsch – ein Dialekt, der dort nur von bestimmten Aborigines gepflegt wird. Wobei das Tätigkeitswort „fuck“ in der Schweiz keine spezielle helvetische Aktivität bezeichnet, sondern mehr eine müde Ablehnung jeglicher Aktivität, bei der man sich selbst einbringen müsste. „Fuck you, EU!“ soll heißen, dass besagtes Fucking bitte sehr außerhalb der Landesgrenzen stattfinden sollte, weil es den Schweizern wesensfremd ist. In der Schweiz, zumindest in der angeblich deutsch-sprachigen, gibt man sich eher abgefuckt, weil man sich fuck-mäßig notgedrungen zu dicht auf die Pelle rücken würde. Und das führt zum gefürchteten „Dichte-Stress“ (so die Hauptvokabel bei der jetzigen Volksabstimmung). Mit knapper Mehrheit entschieden die Eidgenossen am Sonntag, dass sie lieber nicht ganz dicht sind.

Ich fühle mich am Ausgang dieses Volksentscheids nicht ganz unschuldig, denn die Empörung über die Überfremdung des Heidi-Landes durch deutsche Okkupanten kam erst vor Jahren so richtig in Fahrt, als man den Schweizer Kabarettpreis verliehen hatte an einen preußischen Germanen, der den Preis sofort nach Berlin entführte und nie wieder zurückgab. Ja, der Preis-Davonträger war ich.

Apropos: Auch in Mainz wurde ich schon einmal aus Versehen gepriesen mit dem Deutschen Kleinkunstpreis der Sparte „Kabarett“. An diesem Samstag kehre ich mal wieder an den Tatort zurück – ins Mainzer Unterhaus. Am Montag bin ich dann im Hamburger „Lustspielhaus“. Näheres unter „Tourneeplan“ auf meiner Web-Seite www.martin-buchholz.de