Bekenntnisse

Ukrainische Verwirrungen

Nr. 617 – vom 17. April 2014
Wie haben wir im Westen die Volkshelden gefeiert, die da in Kiew auf dem Maidan Platz der Staatsgewalt einer immerhin gewählten Regierung ihren Widerstand entgegengesetzt haben. Auch wenn sich inzwischen herausgestellt hat, dass einige dieser Helden neonazistische Scharfschützen waren, die in die Menge hineingeschossen haben, um Märtyrer zu produzieren. Das wurde zwar in der WDR-Sendung „Monitor“ detailliert dokumentiert, aber ansonsten wurden solche Untersuchungen in der deutschen Presse weitgehend verschwiegen, weil die Ergebnisse nicht ganz ins Bild der freiheitlich-friedlichen Revolution passten.

Die Botschaft fast aller Medien war eindeutig: Das war ein Aufstand des Volkes gegen die herrschende Willkür. Ein legitimer demokratischer Akt des Widerstands. Und bei den meisten, die sich an diesem Aufstand beteiligten, war das auch gewiss so.

Aber was geschieht derzeit in der Ost-Ukraine? Da stellen sich in vielen Orten und Städten unbewaffnete Bürger den Panzern der offiziellen ukrainischen Armee in den Weg. Die Panzerbesatzungen schlossen sich teilweise sogar den Aufständischen an und übergaben ihnen ihr rollendes Kriegsgerät. In neun Städten der Ost-Ukraine haben die Bewohner alle öffentlichen Gebäude besetzt. Die Frontberichterstatter in unseren Medien müssen zugeben, dass es sich dabei tatsächlich um Einheimische handelt und nicht um verkappte russische Soldaten. Aber selbstverständlich handelt es sich in diesem Fall nicht um einen legitimen Volksaufstand. Und warum nicht? Weil dieses russischsprachige Volk in der Ost-Ukraine offenbar nicht vom Westen vereinnahmt werden will. Und das ist natürlich unerhört. Und ein solch unerhörter Volkswille kann gar kein echter Volkswille sein und damit auch nicht legitim. Da ist sich die Nato vollkommen einig mit den USA. Und mit fast all unseren Kommentatoren.

Und wer da mal schüchtern-kritisch nachfragt, so wie ich es hier tue, der ist ein „Russland-Versteher“, ein „Putin-Freund“. Nun hält sich meine Sympathie für Putin in sehr überschaubaren Grenzen. Auch in früheren Kolumnen habe ich ihn schon als das bezeichnet, was er ist: Eben ein brutaler imperialer Möchtegern-Caesar, ein veritabler größenwahnsinniger Kotzbrocken mit ekligstem Macho-Gehabe, ein lupenreiner Demagoge. Doch kotzalledem! Das macht mir eine Kiewer Regierung mit faschistischer Beteiligung auch nicht sympathischer und demokratischer.

Aber das darf man ja nicht sagen – geschweige denn schreiben. Deshalb distanziere ich mich hiermit vollinhaltlich von mir selber. Streichen Sie die vorangegangenen Absätze einfach aus Ihrem Gedächtnis. So verharre ich mal wieder in totaler Ratlosigkeit auf dem ost-westlichen Diwan. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen: Nicht allzu heftige Ostern! Nicht allzu aufgeregte Western!


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PS. Die letzten Vorstellungen meines aktuellen Programms „Macht!Menschen“ in Hamburg und Berlin stehen demnächst auf dem Programm: In Hamburger „Lustspielhaus“ am 28. April, in Berlin bei den „Wühlmäusen“ am 21. und 22. Mai.