Bekenntnisse

Kriegsgräber-Vorsorge
dank Standortpfarrer Gauck

Nr. 622 – vom 20. Juni 2014
Eine Wortmeldung in eigener Sache vorweg: Nachdem ich zwei Wochen lang in England herumgefaulenzt habe, geht die Faulenzerei nun an der Heimatfront gemäßigt weiter. Ein weitgehend auftrittsfreier Sommer liegt vor mir. Zwar habe ich an einem neuen Programm zu arbeiten und auch ein weiteres Buch ist in gedanklicher Vorbereitung (erscheint aber erst im nächsten Jahr), doch ansonsten will ich mir eine Auszeit gönnen, um Gemüt und Gehirn neu aufzutanken. Soll heißen: Diese Kolumne wird in den nächsten Monaten nur nach Bedarf erscheinen (und zwar nach meinem).
Ich hoffe, Sie bleiben mir dennoch gewogen. Hier also mein vorerst letztes Pamphlet – Gauckseidank!

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Standortpfarrer Gauck, unser oberkommandierender Seelenhirte auf dem Feld der deutschen Ehre, rüttelt schon lange an seinem Volke herum, auf dass Deutschland endlich mal wieder erwache. Er geißelt zum wiederholten Male die kriegerische „Zurückhaltung der Deutschen“, die „den Einsatz militärischer Mittel“ – natürlich „als letztes Mittel“ – scheue. Nun waren in der Kriegsgeschichte jedweder Nation die militärischen Mittel stets die letzten Mittel, zu denen man bedauerlicherweise greifen musste. Irgendwann musste man eben zurückschießen – spätestens ab 5 Uhr 45 (das ist allerdings mehr eine deutsche Zeitangabe). Beim letzten Mittel gibt es nun mal kein Mittelmaß.

Die derzeit mittel-mäßige Haltung der Deutschen war schon für einen früheren Bundespräsidenten ein rechtes Ärgernis. Der damalige Herzog in der Bellevue-Kaserne forderte martialisch, dass „ein Ruck durch Deutschland gehen“ müsse. Seltsam, immer wenn unsere obersten Feldprediger heftig am Rucken sind, zucke ich nicht minder heftig zusammen. Ein Ruck-Zug der besonderen germanischen Art.

Pfarrer Gauck hat seine Missionsarbeit als Kriegs-Vorantreiber schon vor zwei Jahren begonnen. In einer Rede vor der Führungsakademie der Bundeswehr beklagte er, dass das deutsche Volk absolut kein Glücksgefühl empfindet, wenn deutsche Soldaten bei Auslandseinsätzen sterben. Gauck wörtlich: „Dass es wieder deutsche Gefallene gibt, ist für unsere glückssüchtige Gesellschaft schwer zu ertragen.“ Was übersetzt heißt: Wir müssen endlich wieder unglückssüchtig werden, damit wir es erträglicher finden, wenn es mehr deutsche Gefallene gibt (obwohl es diese Soldaten dann eigentlich nicht mehr gibt, eben weil sie gefallen sind). Eine alte deutsche Tradition: Kriegsopfer-Vorsorge nennt man das. Gauck meint offenbar: Wenn deutsche Soldaten fallen, dann sind sie ja wohl gefallen zum Wohl gefallen, zum Wohl des Vaterlandes und damit wohl auch zu seinem Wohlgefallen. Und dieses Wohlgefallen will er mit uns teilen, auf dass uns eine ganz neue Art von Glückseligkeit erfülle.

Glücklicherweise (genauer: gaucklicherweise) gibt es immer mehr deutsche Kriegsfreiwillige, die den Ruf ihres Präsidenten vernommen und verstanden haben. In Scharen ziehen sie ins Ausland, um dort zu den Waffen zu greifen. Sie sind bereit, sich „früher, entschiedener und substanzieller einzubringen“, wie es Gauck im Januar auf der Münchner Sicherheitskonferenz von den Deutschen forderte. So konnte „Spiegel-online“ gestern die Erfolgsbotschaft verkünden, dass im Irak nun frisches „Kanonenfutter aus Deutschland“ auf dem Markt sei. Die Zahl der freiwilligen deutschen Kämpfer sei in diesem Jahr sprunghaft gestiegen – allerdings auf der Seite der Dschihadisten, also bei den Isis–Milizen. „Bundespräsident Gauck ruft erneut zum Heiligen Krieg auf“, so betitelte der Ex-CDU-Minister Todenhöfer die Meldung auf seiner Facebook-Seite, und zugleich zeigt er den Heiligen Krieger im fotomontierten Al-Kaida-Outfit.

Das ist natürlich unerhört, und so wird es in den Gazetten einstimmig kommentiert: Man kann Gauck ja viel unterstellen, aber er ist gewiss kein islamischer Fundamentalist. Nein, er ist eindeutig ein protestantischer. Doch der Krieg ist ihm heilig – zumindest als „letztes Mittel“, wenn es um die „Menschenrechte“ geht. Eine diffuse Ersatz-Religion, die schon den Krieg in Afghanistan rechtfertigen sollte. Menschenrechte werden immer dann von rechten Menschen gepredigt, wenn es im Hintergrund um ganz andere Interessen geht, wie es der Ex-Präsident Köhler einst allzu offen eingestand, woraufhin er freiwillig zurücktreten musste.

Der Heiligenschein, mit dem der jetzige präsidiale Evangelist auch von den Grünen und der SPD bekränzt wurde, ist ein Schein, der auch die „letzten Mittel“ heiligen soll. Was da zum Vorschein kommt unter diesem Heiligenschein ist schon lange augenscheinlich: Ein gefährlicher Scheinheiliger.