Bekenntnisse

Sozialdemokratische
Radieschen

Nr. 643 – vom 17. Februar 2015
Wie erwartet: Olaf Scholz ist der grosse Triumphator nach der Hamburg-Wahl. In einigen Gazetten wird er nun zum neuen Star am SPD-Firmament hochgeschrieben. Dort düst zur Zeit noch der Gabriel als pausbäckiges Posaunen-Engelchen herum und trompetet sich selber Mut zu. Scholz eignet sich allerdings kaum für solch abgehobene Phantasien. Er bescheinigte sich selber im Wahlkampf eine sturmfeste Bodenhaftung. Er sei tief im Norddeutschen verwurzelt, versicherte er. So sieht er auch aus. Eine erdknollige Erscheinung – ausgestattet mit dem rustikalen Charme eines bodenständigen Wurzelgemüses. Eben ein sozialdemokratisches Radieschen. Nach außen hin präsentiert er sich als ehrliche Rothaut. Und wie’s da drinnen aussieht, geht niemand was an. Immerhin war er als Arbeitsminister im Kabinett von Gerhard Schröder dafür zuständig, die Republik endgültig zu verhartzen. Er war der wichtigste Nebendarsteller in der damaligen Erfolgs-Serie „Meister Schröder und sein Pumuckl“. Darunter leidet ja die SPD noch heute, dass sie sich damals von früheren sozialdemokratischen Grundwerten wie Solidarität und sozialer Gerechtigkeit verabschiedet hat.

Kurt Tucholsky hat solche unscharfen SPD-Radieschen schon 1926 in der „Weltbühne“ bedichtet. Er beschreibt da zunächst eine Schrebergarten-Idylle, die in den Zeilen endet:

Ja, und hier –? Ein kleines Wieschen?
Da wächst in der Erde leis
das bescheidene Radieschen:
außen, rot und innen weiß.

Ich habe mir frecherweise erlaubt, die zweite Strophe etwas zu aktualisieren:

Sinnend geh ich durch den Garten
unsrer deutschen Politik.
Und es stinkt, wie zu erwarten,
der Kompost der Republik.
All die Rot-, Grün- und Schwarzbesockten
krähen heftig auf dem Mist,
den sie selber meist verbockten,
wie’s bei Bockmist üblich ist.
Und sieh dort, für Müllers Lieschen
wächst mit Hanseatenstolz
Hamburgs Olaf als Radieschen,
außen rot – und innen Scholz.