Bekenntnisse

Mein Stinkefinger
für Jauch & Co

Nr. 647 – vom 20. März 2015

Ein riesiger Stinkefinger überragte diese Woche. Ein Mahnmal der unverbrüchlichen deutsch-griechischen Feindschaft, zum Himmel stinkend aus einer medialen Jauch-Grube. Egal, ob der Fingerzeig nun echt war oder nicht: Es war kein „Stinkefinger gegen Deutschland“, wie Jauch es bräsig vor sich hin blubberte, sondern genau das Gegenteil, wie der Text der Rede beweist. Eine gerissene Täuschung aller Jauch-Gläubigen – und zwar eine aus dem Zusammenhang gerissene. Eine Fälschung allemal. Mediale Volksverhetzung. Entlarvt wurde nicht der „Lügen-Grieche namens Varoufakis“ („Bild“ tagtäglich), sondern ein Lügen-Deutscher namens Jauch (nur sonntäglich). Ihm gebührt der Stinkefinger nicht nur von Varoufakis, sondern auch von mir.


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Lügenpresse? Gibt’s die wirklich? Natürlich nicht, weil Lügenpresse ja ein Unwort ist. Also kann es so etwas nicht geben. Aber es gibt zum Beispiel den Springer-Konzern. Und da gibt es nicht nur „Bild“, sondern auch die "Welt am Sonntag".

„Janis Varoufakis: Warum ihm 800 Milliarden Schweizer Franken egal sind." So stand es auf der letzten Titelseite. Diese 800 Milliarden seien griechisches Staatsvermögen, erfuhr man im Text, aber der dubiose griechische Finanzminister wolle sie nicht anrühren aus irgendwelchen obskuren Gründen. Der Vize-Chef der „WamS“ kommentierte dazu: „Das Netz spottet über einen Mann, der eigentlich Athens Finanzen in Ordnung bringen soll und stattdessen wie ein Popsternchen auf jede Bühne springt. So warten die Schweizer bislang vergeblich auf seinen Besuch. Im Alpenland liegen griechische Vermögen im Umfang von mindestens 800 Milliarden.“

Das Netz spottet? Ja, es spottet jeder Beschreibung, was dann im Netz geschah. Nachdem dpa die 800 Milliarden-Story weiterverbreitet hatte, ging sie flugs on-line bei zahlreichen Medien wie „Spiegel“, „n-tv“, den „Stuttgarter Nachrichten“, „Kölner Stadtanzeiger“ und natürlich bei „Bild“ und „Welt“.
800 Milliarden! Woher sollten die wohl gekommen sein? Keiner fragte kritisch nach. Wenn’s darum geht, den „Lügen-Griechen“ an den Medien-Pranger zu stellen, brennen offenbar vor Enthüllungs-Jieper alle journalistischen Sicherungen durch.

Nun ja, es gibt keine Lügenpresse, aber auch die 800 MILLIARDEN gibt es nicht. Tatsächlich gibt es etwa 800 MILLIONEN griechischer Franken in der Schweizer Hinterhand. Journalistische Nullen packen eben gern noch ein paar Nullen dazu. Nun ja, wenn’s denn der Lügen-Erfindung dient.
„Ein Versehen“, druckst man dann hinterher kleingedruckt. „Ein Versehen“, so twittert auch der für die Jauch-Emissionen zuständige NDR-Chefredakteur: Man habe schlicht zu erwähnen vergessen, dass der angebliche „Stinkefinger gegen die Deutschen“ nicht aktuell vom derzeitigen griechischen Finanzminister gezeigt worden ist, sondern im Jahr 2013 in einer Rede des Ökonomie-Professors Varoufakis.

Natürlich ein Versehen! Wenn man immer nur blindlings in einer medialen Hass-Kampagne auf diesen griechischen Beelzebub einprügelt, steckt diese blindwütige Griechen-Hatz auch die Hetzer an: Längst sind sie blind für irgendeine objektive journalistische Beobachtung. Aber wenn ein Blinder sich ver-sieht, kann man ihm das ja wohl nicht übel nehmen. Das wäre schließlich behindertenfeindlich.


PS. Am 29.3. trete ich im Sylter "Podium" auf, am 31.3. in Hamburg ("Alma Hoppes Lustspielhaus") und vom 1. bis 3. April in Berlin bei den "Wühlmäusen”.