Nach der Flugzeug-Katastrophe:
Wie Leichen gefleddert werden
Nr. 648 – vom 30. März 2015
The Show must go on – nämlich die öffentliche Leichenschau auf allen Kanälen und in den meisten Gazetten. Die Medienschlacht um die Opfer der Flugzeug-Katastrophe tobt weiter. Die Leichen sind zur öffentlichen Ausschlachtung freigegeben – besonders die des Co-Piloten. Und wehe, der war kein Massenmörder!
Es wäre für die Journaille nicht hinnehmbar, wenn er zum Beispiel in Ohnmacht gefallen wäre. Oder wenn es doch ein technischer Fehler war. Beides können die Fachleute derzeit nicht ausschließen. Doch das endgültige Urteil der meisten publizistischen Leichenbeschauer ist längst gefällt – möglicherweise ein postumes Todesurteil, der Rufmord an einem Toten. Und diese Verurteilung wäre auch nicht mehr rückgängig zu machen.
Die Eltern sind ohnehin auf immer stigmatisiert. Im Fernsehen wurde deren Wohnhaus mit erkennbarer Adresse abgefilmt, was natürlich einen ungeheuren Informationswert hatte – fragt sich nur, für wen. „Die geheimen Krankenakten des Amok-Piloten“ werden öffentlich aufgeblättert. Weil jener Andreas L. auch noch einen zweiten Vornamen hat, nämlich Günter, wurde das Foto eines Andreas Günter in ZDF und ARD als Konterfei des Co-Piloten vorgezeigt und dann überall nachgedruckt. Die Freundin des realen Andreas Günter wurde daraufhin in einem Restaurant von zwanzig Journalisten regelrecht überfallen. Und. Und. Und.
Eine mediale Leichenfledderei, geiernd nach immer neuen Sensations-Häppchen, wird begleitet vom Betroffenheits-Gesülze der TV-Sabbler vor dem Gymnasium in Haltern und in den diversen Quassel-Shows. Und wir sind die Voyeure, die vor den Bildschirmen hängen und bei dieser Leichenschau mitgeiern. Das ist nicht mehr zum Mitansehen!
Um nicht selber zum Medien-Zombie zu verkommen, bleibt als ultimative Notwehr: Ausschalten! Und dennoch nicht abschalten!
PS. Abschalten ist bei mir ohnehin nicht drin: Morgen abend, also am Dienstag, bin ich mit meinem neuen Programm auf der Bühne in Hamburg ("Alma Hoppes Lustspielhaus"). Und von Mittwoch bis Karfreitag bei den Berliner "Wühlmäusen".