Das Wort zum letzten Sonntag:
Die ganz andere Wahl-Analyse
Nr. 666 – vom 15. März 2016
„Es hat überhaupt keinen Sinn da vorbeizureden.“ Horst Seehofer stellte mit diesem Einleitungs-Satz den Wahn-Sinn im Klartext zur Rede. Was er eigentlich sagen wollte, war dies: Die CSU hat einen triumphalen Wahlerfolg bei den sonntäglichen Landtagswahlen feiern können. Und das, obwohl sie gar nicht direkt zur Wahl stand sondern nur ihr alternativer Rechts-Nachfolger außerhalb Bayerns. „Es geht um die geistige Brandstiftung“, so erklärte der CSU-Innenminister Herrmann die Propaganda-Strategie der Partei, „um in der aktuellen Diskussion um Zuwanderung die Ängste in der Bevölkerung zu schüren.“ Ein erstaunlich offenes Bekenntnis. (Allerdings sollte ich vielleicht hinzufügen, dass jener Ober-Bayer diese Worte Anfang März vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gebrauchte, um das angestrebte Verbot der NPD zu begründen. Seine eigene Partei nahm er von dem Verbotsantrag aus.)
Weiter im Klartext: Zu den Wahlsiegern in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg gehört auch eindeutig die SPD. Überraschend mühelos hat sie dort die doppelte 5-Prozent-Hürde genommen. Die Ausnahme war Rheinland-Pfalz: Dort obsiegte die charismatische Landesmutter dank des Malu-Bonus und trotz des Gabriel-Malus. Das aber ist für den SPD-Vorsitzenden nur ein schwacher Trost. Sein Charisma ist ja eher das einer sozialdemokratischen Abrissbirne. Er hat sich schon nach der Schuhgröße von Guido Westerwelle erkundigt, weil der einst zur Bundestagswahl eine kesse Sohle in die Kameras hielt, in der die Hoffnungszahl „18“ eingeprägt war. Diese Schuhe will Gabriel sich nun ausleihen für die Bundestagswahl im nächsten Jahr. Ob eine solche Besohlung hilft, ist allerdings mehr als fraglich. Die Versohlung durch die Wähler folgte schon einmal auf dem Fuße.
Aber nun ist sie wieder da, die FDP; und sie darf auch gleich wieder in Stuttgart und Mainz mit begehrlichem Leckermäulchen an der Waage herumzüngeln. Wie schon so oft gehabt: FDP – Fellatio-Dezenter Puff. Allerdings haben diese züngelnden Lippenbekenntnisse auch Nebenwirkungen: Sie verursachen Herpes, eben diese ekligen Blablabläschen. Bei so einem Ausschlag hat man auch immer was zum Ausdrücken. Und so drückte es der FDP-Softie Lindner noch in der Wahlnacht aus: „Die FDP ist wieder ausschlaggebend.“
Die Grünen sind in diesem Sinne ohnehin längst effdepe-isiert: In Sachsen-Anhalt müssen die Realos nun endlich das, was sie schon lange können wollten, aber nicht wollen durften – nämlich vereint sein mit der CDU in einer gemeinsamen Kopulation ... nee, ‘tschuldjunk, in einer Koalition. In Baden-Württemberg allerdings muss sich die unterlegene CDU erst an den Gedanken gewöhnen, dass sie auf diesem Beilager die Unterliegende sein würde, wenn der Kretschmann über sie kommt.
Selbst die Links-Partei durfte in der Wahlnacht feiern, allerdings nur in Sachsen-Anhalt: Schließlich ist sie glücklicherweise all jene Wähler los, die sie bislang mitschleppen musste trotz deren diffuser ostzonalen Gehässigkeit gegen alles Fremde (Wessis inklusive) oder Fremdartige (Demokratie inklusive). 28.000 frühere „Linken“-Wähler ergriffen endlich die Flucht, um als politische Flüchtlinge bei der Anti-Flüchtlingspartei Asyl zu beantragen. Damit wird die Links-Partei für mich ein gutes Stück wählbarer.
Und noch ein letztes Wort zu den Nichtwählern: Wie oft wurden sie geschmäht und angeprangert ob ihrer vermeintlichen Pflichtvergessenheit in Sachen Demokratie. Meine Rede ist schon seit Langem, dass wir diesen Nichtwählern dankbar sein sollten, wenn sie nicht zur Wahl gehen. So etwas Abartiges wie parlamentarische Demokratie geht denen ohnehin am Gesäß vorbei. Was dabei heraus kommt, wenn diese Arsch-Enttäuschten aus Versehen doch mal wählen, sieht man nun an den Qual-Ergebnissen: die After für Deutschland (AfD) furzen die Blähungen des gesunden deutschen Volksbewusstseins hinaus in die deutschen Gaue. Ludwig Uhland hat das in seinem Gedicht „Frühlingsahnen“ schon früh verdichtet, allerdings von mir leicht variiert:
„Die linden Lüfte sind erwacht.
Sie säuseln und weben Tag und Nacht.
O deutscher Duft, o deutscher Klang.
Nun armes Herze, werde bang.
Es wird sich alles, alles wenden.“
Ein Talkshow-Insasse am späten Wahlabend meinte: „Wir müssen anfangen, diese Bedrohung der Demokratie ernst zu nehmen“. In meinem letzten Buch „Missverstehen Sie mich richtig“, einem satirischen Lexikon (siehe hier), habe ich mir unter dem Stichwort „Anfang“ dazu meine Gedanken gemacht:
„Meist schleicht sich ja ein Anfang mit erheblicher Verspätung ins kritische Bewusstsein. Und so fragt man sich oft erst hinterher: Wie hat das eigentlich alles angefangen? Wehret den Anfängen! Ein Imperativ, der vielfach zu spät kommt – nämlich dann, wenn die Anfänge schon längst passé sind und die Fortsetzung mit ihren Folgen kaum noch zu stoppen ist.“
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PS. Bis zum November nächsten Jahres gönne ich mir demnächst eine Auftrittspause, um mich anderen Projekten zu widmen. Erst in anderthalb Jahren stehe ich wieder auf der Bühne. In Berlin gibt es jetzt die letzten vier Vorstellungen meines immer tagesaktuellen Programms „Denkste?!“
Am Sonntag, 20.3., 18 Uhr, in der „Distel“.
Und gleich nach Ostern am Dienstag und Mittwoch, 29. und 30.3., 20 Uhr, bei den „Wühlmäusen“.
Letzte Chance: Sonntag, 17. April, 18 Uhr in der „Distel“.
Andere Tournee-Termine finden Sie im Tourneeplan.