Bekenntnisse

Deutscher Morgen am späten Abend

Nr. 679 – vom 2. März 2018

Eine Zwischenmeldung nach fast vier Wochen Atemberaubung auf der Südinsel Neuseelands. Jetzt geht es hinüber nach Norden. Nebenbei – hier ist alles anders ‘rum, auch Nord und Süd: Die Südinsel ist das kühlere Eiland; die Nordinsel die wärmere Region. Auch der Mond nimmt verkehrt herum ab und zu. Und der Verkehr ist so verkehrt wie er nur in Ländern sein kann, wo man noch auf Englisch verkehrt. Auf einer Landstraße mahnte die Aufschrift einer großen Plakatwand: „Keep left! It’s so easy!“ Vielleicht sollte man eine solche Tafel mal vorm Willy-Brandt-Haus in Berlin hinstellen. Doch im Zweifelsfall gilt da die alte Vorfahrtsregel: Rechts vor links!

Aber solche deutschen Polit-Possen sind für mich zur Zeit ziemlich far away. Sinnigerweise bin ich hier in Neuseeland als deutscher Zeitkritiker der deutschen Zeit weit voraus – genau um zwölf Stunden. Wenn ich hier am Abend so um neun herum ins Internet gucke, erfahre ich, was sich so in Deutschland am  letzten Morgen um neun herum getan hat – oder eben nicht getan hat. Da werden mir die seltsamsten Break News als absolute Sensationen auf den Bildschirm eilgemeldet: Etwa, dass eine Frau Dingsbums 95 Prozent bei der CDU abgesahnt hat. Oder dass es auf einmal richtig Winter ist in Deutschland, was ja im Winter absolut ungewöhnlich ist, wenn das Thermometer mal so richtig ins Minus sinkt. Oder dass ein irgendein Obergericht deutsche Kommunen auspuffmäßig in die Diesel-Bredouille bringt. Oder dass irgendein Herr Irgendwer von der CSU und irgendeine Frau Soundso von den Linken für die Aussperrung von ausländischen Mitessern beim Essen in Essen vollmundig Verständnis zeigen, obwohl man mit vollem Mund eigentlich nicht reden sollte. Undsoweiter. Undsofort.

Aufgeplusterte Wichtigtuereien, die mir an meinem Urlaubsgesäß meilenweit vorbeigehen. Und ich denke mir, während ich den Computer erleichtert aufseufzend wieder abschalte: Wie gut, dass du hier im neuseeländischen Abendsonnenschein deinen Wein trinken kannst und keine Kolumne schreiben musst über solche überflüssigen Aufgeregtheiten auf der anderen Seite der Erdkugel. Weshalb ich nun auch diese Epistel schließe. Ich wünsche mir eine gute Nacht und Ihnen einen guten Morgen. Und immer dran denken: Keep left! It’s so easy!