Das Grundgesetz in letzter Lesung
Nr. 687 – vom 22. Februar 2019
Uff! Geschafft! Mein neues Buch ist fertig für den Druck. Wahrscheinlich wird es Ende März erscheinen. Es ist eine umfassende Neubearbeitung und Aktualisierung meines früheren Machwerks über das Grundgesetz. Diese Verfassung ist ja vor 70 Jahren in Kraft getreten worden und zu oft wurden seither Grundrechte einfach so verschleudert und die Verfassung verworfen. Daher der Titel: „Die Siebzigjährige, die man zu oft zum Fenster hinauswarf und die einfach nicht verschwand“. Und dazu mache ich auch einige Veranstaltungen – am 29. März im Hamburger „Lustspielhaus“. Am 28. April und am 19. Mai in der Berliner „Distel“. Am 15. Mai im “TAK“ Hannover. Weitere Termine im Tourneeplan unter “Lesungen“. Vielleicht sieht man sich ja irgendwo mal wieder.
Donald Trump und Walter Ulbricht: Ein Mauer-Gedenken
Donald Trump will sich selber ausrufen, also den Notstand. Er will nun mal unbedingt eine Mauer bauen. Hoffentlich gelingt ihm das; es wäre im deutschen Interesse. Dann wäre eine deutsche Retourkutsche fällig für die irgendwann kommende neue Kanzlerin (oder gar für den nächsten Kanzler, vielleicht sogar einer von der SPD; keine Angst, das war ausnahmsweise mal witzig gemeint). Unser Oberhaupt bzw. die Oberhäuptin könnte dann in die USA jetten, sich vor dieser Mauer aufbauen und ausrufen: „Mr. Trump, tear down this wall.“ (Zur Erläuterung für möglicherweise noch jüngere Leser – die also noch jünger sind als ich es bin: Ein ähnliches Machtwort, nur mit einer anderen Anrede, hatte einst ein US-Präsident vorm Brandenburger Tor gesprochen, worauf die Berliner Mauer vor Schreck ganz von selbst zusammenbrach.)
Nun kann man die Mauer, die Trump bauen will, natürlich nicht vergleichen mit der Berliner Mauer, die Ulbricht eigentlich niemals zu bauen beabsichtigte und die dann doch in Rekordzeit errichtet wurde (bei anderen Berliner Bauvorhaben wie etwa beim Fluch-Hafen ist es genau umgekehrt). Der Unterschied liegt darin, dass Trump die Mauer errichten will, um Flüchtende auszusperren, lies: „Drogendealer und Vergewaltiger“, so die Trumpsche Klartext-Analyse. Ulbricht hingegen wollte mit seiner Mauer die Flüchtenden nicht aussperren, sondern einsperren. (Da ist der Seehofer heute weiter: Der will beides gleichzeitig – je nachdem, auf welcher Seite der Grenze sich die Asylanten gerade befinden.)
Willy, ein gelegentlicher Tresen-Beisitzer in meiner Stammkneipe, meinte neulich bei einem Polit-Talk nach dem vierten Bier: „Da hat man den armen Ulbricht immer verhöhnt, wenn der von einem antifaschistischen Schutzwall geredet hat. Dabei hat er doch vollkommen recht gehabt.“
„Sag mal, spinnst du?“, fragte ich. „So naiv kann doch keiner sein zu glauben, dass Ulbricht irgendwelche angeblichen Faschisten aussperren wollte.“
„Wer redet von ‚aussperren’? Im Gegenteil. Es ging ums Einmauern. Ulbricht kannte doch seine DDR-Pappenheimer; dafür hatte er ja ein zuverlässiges Meinungsforschungs-Institut. Und dank der Meinungsforscher von der Stasi wusste er wahrscheinlich schon damals, dass etwa ein Viertel der DDR-Insassen anfällig war für Ausländerhetze und Fremdenhass, etwa wenn es gegen die ‚Fidschis’ aus Vietnam ging oder gegen die ‚Presskohlen’ aus Angola. Deshalb hat er die Mauer gebaut. Der wollte uns im Westen schützen vor den künftigen AfD-Wählern. Ich sag’s doch: ein antifaschistischer Schutzwall. Ein Prost auf Walter Ulbricht!“
Er hob sein Glas in meine Richtung, doch ich verweigerte den Anstoß. Zu anstößig war mir dieser Zynismus. Solcher Sarkasmus ist mir nun mal wesensfremd.
Allerdings: Was die Trumpsche Mauer angeht, wäre der Gedanke der Einsperrung vielleicht gar nicht so falsch. Er sollte den Schutzwall besser noch etwas näher an Washington heran bauen, am besten gleich meterhoch und stacheldrahtbewehrt ums Weiße Irrenhaus herum. Eine geschlossene Abteilung ist es ja ohnehin schon. Und etwa die Hälfte der US-Wähler will ja dafür sorgen, dass er da so bald nicht mehr rauskommt..