Europa, meine traurige Liebe
Nr. 692 – vom 31. Mai 2019
Die Europa-Wahlen haben es gezeigt: Da haben mal wieder viele, besonders im Osten Deutschlands, ein Kreuz in der Wahlkabine gemacht und wollen nicht wahrhaben, dass an dem Kreuz ein Haken ist. Nach dreißig Jahren deutscher Einheit in untrauter Zwietracht steht fest: Geteilter war Deutschland noch nie!
Auch ansonsten leben wir ja in Zeiten einer radikalen Wende in etlichen Ländern Europas. So wird der Begriff der Wende mit einem erschreckend alten Sinn erfüllt: Eine Wende bedeutet doch, dass man sich umdreht. Das heißt für viele: Man kehrt einer demokratischen Zukunft den Rücken zu, und plötzlich hat man wieder eine Perspektive vor sich, von der wir geglaubt haben, dass sie schon lange der Vergangenheit angehört hätte.
Auch wenn die heutigen Deutschen nicht verantwortlich für diese Vergangenheit sind, so sind wir doch befragbar: Was tun wir und was haben wir getan und was werden wir tun, um solche Vergangenheiten in Zukunft zu verhindern? „Wehret den Anfängen!“ So hat man uns gemahnt. Aber diese Mahnung kam, wenn überhaupt, mit Verspätung an. Da waren die Anfänge schon längst gelaufen. Heute kann es nur heißen: Wehret den Fortsetzungen! Diese Gegenwehr ist für mich nicht nur eine deutsche Wehrpflicht, sondern zugleich eine europäische.
Nun ist der Traum von einem solidarischen, menschenfreundlichen Kontinent viel zu oft pervertiert worden zu einem kapitalen Albtraum, den die Konzerne und Wirtschaftslobbys global inszenieren. Um diese Inszenierung auf der großen Brüsseler Bühne zu beaufsichtigen, gibt es als Theaterleiter den EU-Kommissionspräsidenten. Zur Zeit heißt er noch Jean-Claude Juncker. Der hatte sich für diesen Job qualifiziert als Asozial-Arbeiter im Großherzogtum Luxemburg, wo er vorher Premierminister war. Als einstiger Herrscher über alle Briefkästen des Landes (sowie über die in den Briefkästen versteckten Firmen) hatte er quasi per Postwurfsendung mehr als 300 Groß-Konzernen großherzogliche Steuer-Befreiungsbescheide zukommen lassen – unter anderem E.ON, Amazon, Deutsche Bank, Pepsi, Fiat, JP Morgan und vielen anderen. Und so mussten die Ärmsten nicht länger ächzen unter der brutalen Steuerlast, die man ihnen im restlichen Europa zumuten wollte, bloß weil sie mal wieder ein paar hundert Milliarden Gewinn gemacht hatten.
Als Juncker kurz danach in der Brüsseler Chefetage Europa in Kommission nahm, bezeichnete er es als seine hehre Aufgabe, „das Vertrauen der Menschen in dieses Europa zurückzugewinnen“. Aber dieses Europa macht es einem nicht leicht mit dem Vertrauen, wenn man nicht gerade ein größeres Geschäft verrichtet auf irgendeiner Konzern-Latrine.
Doch es wächst auch europaweit der Widerstand gegen die Pervertierung einer großen Idee. Der Kampf gegen die globalen Giganten ist nicht einfach, doch auch der Riese Goliath erlebte im Fight gegen Klein-David irgendwann ein Schleuder-Trauma.
Es gibt viel zu schleudern, gehen wir’s an!
Heribert Prantl über Buchholzens letztes Machwerk
Heribert Prantl, der Elder Newsman der „Süddeutschen“, hat mir in seiner „politischen Wochenvorschau“ vom 25. Mai eine freundliche Nachlese gewidmet.
Martin Buchholz, so schreibt er, „hat soeben ein wunderbar ironisches und sarkastisches Buch über die deutsche Verfassung herausgebracht, eine Liebeserklärung ganz besonderer Art. Darin wird auch der mit Vergnügen lesen, der schon das eine oder andere neue Buch zum Grundgesetz gelesen hat. Das mag man schon dem Titel entnehmen, den Buchholz gewählt hat: 'Die Siebzigjährige, die man zum Fenster hinauswarf und die einfach nicht verschwand'. Buchholz beschreibt recht knackig, wie man das Grundgesetz in den vergangenen siebzig Jahren malträtiert und missachtet hat. Buchholz schreibt zum Schmunzeln, oft ist es ein betroffenes Schmunzeln, das sich beim Lesen einstellt. Und zum Auftakt erzählt der Autor, warum er von seinem Onkel Willy am 23. Mai 1949 in Berlin eine Ohrfeige bekommen hat – und was diese Ohrfeige mit dem Grundgesetz zu tun hat. Das Buch hat 144 Seiten, es ist erschienen im Wostok-Verlag. Es ist seine 16 Euro wirklich wert.“
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Nun ja, bei mir kostet das Buch nur 15 €, dafür ist es aber auch schon beschmaddert und entwertet, weil der Autor unbedingt handschriftlich seinen Namen reinklieren muss. Und die DVD von meinem letzten Programm „Alles Lüge; kannste glauben“ gibt’s für einen Zehner dazu (einzeln kostet sie 25 €). Ich habe sie mir neulich noch mal angesehen: Die Reaktion des Publikums wärmte mir nachträglich Herz und Hirn. (Versandgebühr in jedem Fall: 3 €.)
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