Bekenntnisse

SPD - zum Ersten:
Nowabo und das Tohuwabohu

Nr. 696 – vom 2. Dezember 2019

Schon wieder muss man sich einen Namen merken, der einem schwer über die Zunge geht: Norbert Walter-Borjans. Nowabo – so das Kürzel unter seinen Genossen (–innen inklusive). Außerhalb von NRW war dieser Nowabo für die meisten Bürger wohl eher ein No-Name, ein No(wa)body.

Okay, das kann und wird sich wahrscheinlich ändern. Obwohl ich mir kaum Werbe-Jingles der SPD vorstellen kann mit der Gummibärchen-Botschaft: „Nowabo macht Wähler froh!“ (Andererseits: Wieviel konnte ich mir im Laufe der Jahrzehnte bei der SPD nicht vorstellen und später einfach nur feststellen als etwas eigentlich Unvorstellbares.)

In meinen Ohren klingt dieses Nowabo wie ein Echo aus einem fernen Tohuwabohu. So beginnt die biblische Schöpfungsgeschichte auf hebräisch. Tohuwabohu: „Am Anfang war die Erde wüst und leer.“ Und so zetern fast alle Kommentatoren in den brav-bürgerlichen Blättern: Nun sei bei der SPD das Chaos ausgebrochen, das Tohuwabohu. Diese Meinungs-Umbildner vergessen: Nach dem Tohuwabohu ging die biblische Schöpfungsgeschichte weiter – und zwar mit Adam und Eva. Ins sozialdemokratische Heutige übersetzt: Die Geschichte geht weiter mit Norbert und Saskia.

Denn Saskia Esken wählten die Sozialdemokraten auch. Glücklicherweise, wie ich finde, denn diese Frau wird zeigen, dass sie nicht den ihr von den Medien zugedachten Part des Sidekick spielen wird. Als „supporting actor“ oder actress, wie es bei Oscar-Verleihungen heißt, also als Nebenrolle wäre sie wohl eine Fehlbesetzung. Eine tolle Frau. (Überzeugt hat mich ein langes Interview bei „jung und naiv“, hier zu sehen.)


SPD zum Zweiten:
„Schoooolz!“ –
etwas zu oft gebrüllt

Unter „ferner liefen“ beim Schluss-Einlauf ein gewisser Olaf Scholz.

Dabei hatte das SPD-Establishment – also die Große Koalition der sozialdemokratischen Scholzisten in Regierung, Fraktion und Parteispitze – fest damit gerechnet, dass Hamburgs Olaf nebst brandenburgischer Alibi-Gefährtin das Rennen machen würde. Man hatte sich verrechnet. Genauer gesagt: man hatte sich gründlich verscholzt.

Die Basis hatte mehrheitlich genug von der Schwarzen-Null-Lösung. Dabei hatte sich Scholz so wacker bemüht, seine rechts-schaffende Vergangenheit vergessen zu machen. War er doch einst der wichtigste Nebendarsteller in der vermeintlichen Erfolgs-Serie „Meister Schröder und sein Pumuckl“ (neben Frank-Walter Steinmeier; das sollte man nicht ganz vergessen). Damals hatte er zunächst als Generalsekretär, dann als Arbeitsminister mitgeholfen, die Sozialdemokratie in Grund und Boden zu verhartzen.

Die Folge nach diesem neoliberalen Hallelujah war dann noch Heulen und Zähneklappern – und von Wahl zu Wahl wurde es immer zähneklappriger. Da hieß es für die SPD nicht mehr Hallelujah, sondern nur noch Heule-du-da!

Nun gab sich Scholz im partei-internen Qualkrampf wahrlich rötliche Mühe, um nach außen hin wie eine ehrliche Rothaut zu wirken. Er sei, so versicherte er, fest in der sozialdemokratischen Tradition verwurzelt mit einer sturmfesten Bodenhaftung. Und so sieht er auch aus – wenn mir, einem erklärten Gemüsefreund mit Eigenanbau, die Bemerkung gestattet ist: Scholz – die erdknollige Erscheinung eines norddeutschen Wurzelgemüses. Ein sozialdemokratisches Radieschen.

Kurt Tucholsky hat solche scheinbar radikalen SPD-Radieschen schon 1926 in der „Weltbühne“ bedichtet – „außen rot und innen weiß“, schrieb er in Anlehnung an die russische Revolution. Heute wäre dieses SPD-Gemüse eher so zu beschreiben: Außen rot und innen Scholz. Genauer gesagt: drinnen haust die schwarze Null.

Und wie sprach die schwarze Null nach der urwählerischen Urteilsverkündung: „Ich gratuliere den Gewinnern und bin für künftige Überlegungen nach allen Seiten hin offen.“ Eine nach allen Seiten hin offene Null nennt man im Skat ein Nullouvert. Da weiß man, es sind nur Luschen im Spiel. Es ist zu befürchten, dass diese Luschen auch weiterhin das Spiel beeinflussen werden.


SPD zum Dritten:
Ein Volk ohne Partei –
zumindest ohne Volkspartei?

Inzwischen macht sich bei der SPD ein gewisser Trotz breit: Man hört und liest immer wieder, dass es im Volke eine Politikverdrossenheit gäbe, aber das ist nichts gegen die Volksverdrossenheit, die mittlerweile bei der SPD herrscht. Das Volk erreicht derzeit bei der deutschen Sozialdemokratie Sympathiewerte, die weit unter der Fünf-Prozent-Hürde liegen.

Der demnächst-mal-wieder-wahrscheinlich-kurzfristige Vorsitzende Norbert Walter-Borjans meinte deshalb, dass die SPD bei der nächsten Bundestagswahl erst gar keinen Kanzlerkandidaten aufstellen sollte. Konsequent wäre es dann eigentlich, wenn sich die SPD erst gar nicht an der Wahl beteiligen würde. Wer will schon Volkspartei sein bei einem derart blöden Volk. Dann soll das doofe Volk mal sehen, wie es zurechtkommt ohne sozialdemokratische Aufsicht.


Und zum Schluss:
Wie gehts weiter mit SPD und CDU?

Zumindest einen Vorteil hat die Wahl von Walter-Borjans als Auch-SPD-Chef für die CDU. Da ist die Frau Kramp-Karrenbauer als Parteivorsitzende nicht mehr allein mit ihrem Doppelnamen. (Nebenbei: Ich als gelernter Feminist finde es sympathisch, dass dieser Walter-Borjans schon 1986 den Nachnamen seiner Frau übernommen hat statt umgekehrt.)

Nun fand ja in der letzten Novemberwoche gerade der CDU-Parteitag statt. Genau terminiert: erst Volkstrauertag, dann Buss- & Bettag, dann CDU-Parteitag und schließlich Totensonntag. Dort hat Frau Kramp-Karrenbauer ihre immer näher rückenden Kanzleramts-Ambitionen mühsam genug durchsetzen können gegen Friedrich Merz – zumindest vorläufig.

Nun wurde der spätmerzliche Friedrich erst vor Kurzem schwerstens umjubelt auf einem Treffen von frühvergreisten BWL-Bubis, der sogenannten Jungen Union. Einige dieser Jung-Zombies sprachen ihn sogar an als „künftigen Kanzler der Bundesrepublik“. Frau Kramp-Karrenbauer hat angeblich im vertrauten Kreis darauf reagiert mit den Worten: „Das geht nur über meine Leiche.“ Aber da hat sich der Merz wahrscheinlich gedacht: „Auch gut, wenn’s keinen anderen Weg gibt. Selber schuld.“

Eines zumindest spricht zu seinen Gunsten. Der Name Merz ist auch für ausländische Regierungsmenschen sehr viel leichter über die Lippen zu kriegen als Kramp-Karrenbauer (von Walter-Borjans ganz zu schweigen). Solche zweifach benamten Doppel-Whopper sind für fremdländische Zungen ein nahezu unaussprechlicher Tongue Twister, ein Mundlappen-Verknoterer. Deshalb firmiert Kramp-Karrenbauer nur noch unter dem flotten Kürzel AKK.

Da kann man nur froh sein, dass ihre Eltern sie Annegret getauft haben und nicht Frieda.

Und mit dieser ungeheuer niveauvollen Pointe verabschiede ich mich mal wieder. Melde mich aber irgendwann in diesem Jahr noch einmal wieder.