England braucht den Lord!
Nr. 697 – vom 13. Dezember 2019
Gibt es den wirklich? Einen real existierenden Boris Johnson, meine ich. Oder ist dieses ständig grinsende Unwesen nur ein fiktionaler Horror-Clown, der der krankhaft überhitzten Phantasie eines grausamen Gruselautors entgeistert ist. Eine televisionäre Schein-Existenz mit einem blond umschlängelten Medusenhaupt, dessen Anblick sofort alle Hirne versteinern läßt im fassungslosen Schrecken?
Ideal dazu sein vermeintlicher Gegenpart, dieser rumpelstielzige Jeremy, der die Lebensfreude eines menschgewordenen trotzkistischen Magengeschwürs in alle insularen Fernsehstuben ausstrahlte. Einer, der im Wahlkampf zu Europa weder Hüh noch Hott sagen wollte und schon gar nicht Brrr! Also Brrr zum Exit.
Eigentlich habe ich dazu alles schon früher gesagt, sogar auf englisch –während einer privaten Vorführung vor angelsächsischen Freunden. Ein Text, den ich Ihnen im letzten Kapitel dieses Satire-Letters zukommen lasse. Hier ein kurzer Ausschnitt auf deutsch:
Let us pray to the Lord! Oh, lasset uns beten, dass der Herr Jehova aus dem imperialen Reich seiner royalen Herrlichkeit nun einen schrecklichen Blitzschlag niederfahren lasse, um ihn zielgerichtet in die Clowning Street Nummer 10 hineinzujagen.
Ja, lasset uns beten, dass sich aus den gewittrigen Wolken ein riesiger Zeigefinger herunter bohre, der erbarmungslos alles Brexit-Gewürm unter seiner Fingerkuppe zerquetscht und so die Plattwürmer endgültig aus dem Empire plättet.
Lasset uns beten, dass dann mit donnerndem Ruf eine Stimme voll des allmächtigem Zorn ertöne. Vom Himmel hoch komme es her: „OOOOORDEEER!“
Deutsche Revanche?
Im Internet des nur noch mühsam Vereinigten Kingdoms fand ich folgenden bösen Joke:
Eine Engländerin auf einer Zugfahrt durch Deutschland fragt verwirrt, warum der Zug nicht am Hauptbahnhof halte? Ein deutscher Passagier erklärt: „Weil sie eine Bombe entschärfen.“
Sie: „Im Ernst, eine Bombe? Wissen Sie, wer sie platziert hat? Terroristen?“
„Nein“, sagt der Deutsche, „diese Bombe ist ein Souvenir aus früheren Zeiten, das die Royal Air Force für uns zurückgelassen hat.“
Die Frau sagt: "Oh, so sorry for that.“
Und der Deutsche antwortet: „Nun, Ihr habt uns vom Faschismus befreit, also geht das in Ordnung.“
Nach einer kurzen Pause meint die Dame nachdenklich: „Vielleicht müsst Ihr Euch eines Tages für diese Gefälligkeit bei uns revanchieren.“
Sorry, war nur ein Witz!
Schwarzer Humor –
auf cottbusisch
Zurück nach Deutschland: Neulich in Cottbus. Ich zwangsweise einsitzend in einem Taxi auf dem Weg zu einem Termin. Plötzlich heftiger Kreischeffekt der Bremsen. Da überquerte nämlich frecherweise eine kleine Gruppe Andersfarbiger von dunklerer Sorte die Fahrbahn auf einem Zebrastreifen. Der Taxifahrer fluchte: „Und für so’ne Presskohlen muss ick ooch noch bremsen. Irjendwann wird Deutschland total vanejern.“
Nun heißt es ja immer, man müsse für die Ängste der besorgten Bürger Verständnis zeigen, weil die ja sowas von besorgt sind wegen der massenhaften Invasion von Andersfarbigen. Dabei haben etliche Alternativ-Wähler im Osten nichts gegen Andersfarbige. Nur darf eben die Hautfarbe nicht braun sein, sondern nur die Hirnfarbe – oder genauer: die Farbe von dem, was da im Code des Hirns als völkischer Haufen übrig geblieben ist. (Wobei es Ihnen hoffentlich aufgefallen ist, dass ich das Wort Code hier mit C-o-d-e buchstabiere , nicht in seiner eigentlichen deutschen Aussprache.)
Als einsichtiger Verständnismensch zeigte ich also besorgtes Einverständnis mit dem im Taxi vorsitzenden besorgten Bürger: „Sie haben ja so recht. Demnächst sollen ja auch Brandenburg und Sachsen zum Schwarzen Kontinent gehören. Ich hab in der Zeitung gelesen, dass diese Länder demnächst von Kenia aus regiert werden sollen.“ Und fügte hinzu: „Daran sieht man doch: Die Afrikanisierung des Ostens schreitet unaufhaltsam voran.“
Der Taxifahrer starrte mich einen Moment lang irritiert an, um mich dann anzuraunzen: „Soll wohl witzig sein, wa? Sich hier üban Osten lustich machen. Sind wohl’n Wessi?“
Beschämt musste ich das eingestehen. Der Rest der Fahrt verlief im tiefgekühlten Schweigen. Als wir ankamen und ich schon halb draußen war auf der Straße, rief er mich zurück: „Ick kenn übrijens ooch nen Witz, der reimt sich sojar. Kennse den: Der Fuchs ist schlau und stellt sich dumm, beim Wessi ist es andersrum.“
Fand ich noch nicht mal unwitzig. Aber als ich da in der östlichen Kälte auf der Straße stand, habe ich’s mir dann doch verkniffen, standing zu ovationieren.
Auch Buchholz streamt plötzlich
auf ausländisch
Oft genug hab’ ich’s gehört aus dem Munde von deutschen sach- und sprachkundigen Mitmenschen – auch von meiner Liebsten, mit der ich in diesem Jahr mehrfach auf Brexit-Expeditionen war: „Martin, deine spielerischen Sprachgepflogenheiten sind leider nicht fremdsprachlich kompatibel. Gerne würden wir unseren gemeinsamen Freunden einen Eindruck von dem vermitteln, was du so auf der Bühne treibst.“
Nun, unerschrocken wie ich bin, habe ich das einfach mal ausprobiert, als sich ein größerer Freundeskreis von englischen und britischen Bekannten durchaus neugierig vor mir versammelt hatte (man beachte die Differenzierung zwischen Briten und Engländern, denn es waren auch Schotten und Welsh people darunter). Fast 50 Minuten lang habe ich ein Programm auf englisch abgeliefert – mit vielen Übersetzungshilfen, die mir zuvor von willigen Translateuren (meist -innen) gewährt wurden.
Das wird natürlich nur für jene von Ihnen halbwegs interessant sein, die sich die deutschen Untertitel dazu denken können – was nebenbei auch nicht in jedem Fall einfach sein dürfte. Aber vielleicht haben auch Sie englisch-sprechende Menschen in ihrer Bekanntschaft. Die dürfen Sie gerne per Mail mit meinen Elaboraten bekannt machen. Irgendwann will ich schließlich auch mal in der New Yorker Carnegie-Hall auftreten – immer hoffend, dass man in Amerika überhaupt englisch spricht, was George Bernard Shaw einst heftig bestritt. Wie dem auch sei: Vermehren Sie gefälligst meinen Weltruhm!
Watch out! Watch out!
There is a German around!
I.
„German humor“: With this frightening topic I announced to you my lecture today. And with Anglo-Saxon bravery – feared throughout the world – you face the enemy intrepidly. Well, you possibly know this old joke how to imagine the worst of all hells. In this joke some of the most wonderful European prejudices are nicely assembled. That’s the joke: The worst of all hells would be a hell where the Italians run the government and where the French are responsible for marriage and conjugal fidelity, the English for the cooking and the Germans for humor.
Now times have changed – at least concerning two things, as well the German humor as the English cooking. And I think, that I’m qualified enough to give a competent judgement on both examples of former underdevelopment.
II.
Very often I dined with English friends and in English inns. And I have to say: It wasn't that bad. And that is the highest praise a Berliner can give. Today even fish and chips can be enjoyable sometimes. In ancient times it was not only a culinary crime, but an environmental disaster, an oily smelling cloud of mist hanging all over the island, a real breathtaking experience, much worse than the Brexit is today, even though the performance on the political stage in England also takes your breath away, makes you suffering from typical English asthma – thinking of the Trio Infernale Boris Johnson and Dominic Raab and the Sleeping Beauty Jacob Rees-Mogg.
I think, Fish and Chips was an archaic relic from the time of the worst famines on the imperial island. In the early 17th century the great merciless satirist Jonathan Swift presented a special recipe collection to the poorhouse authorities with the purpose to end the hunger as well as to solve the problem of orphan babies and the older homeless children gangs of thieves strolling through the lanes. These were recipes for the preparation of tenderly roasted baby meat and juicy children loins. And for a long time the English poor feeding has remained faithful to this tradition of delicacy, so that also today it is sometimes better in some pubs not to inquire at all what you get between your teeth.
III.
But the better English cuisine has now developed into the most delicate. And the same can be said of German humor, which was once just as unpalatable. But also today it often sinks beyond the low-tide level of the stomach, that means: far below the belt-region. The brain – parted in two hemispheres like the bumcheek-splitted ass – slips deeper and deeper, until it can reunite with the splitting image of itself. Not only a German re-unification.
Well, I must concede that the English gave some development aid to German humor. Not only the Monty Pythons had great success on German screens und influenced many comedians. On our television even became a British comedy sketch in original English and without subtitles a national cultural institution which every New Year's Eve since 1963 has been repeated endlessly on most German TV-channels. A cult show that hardly anyone in Britain knows about. The title: „Dinner for one“ with the late and in his home country long forgotten comedian Freddi Frinton. A New Year’s Eve without watching „Dinner for one“ in a circle of friends and acquaintances would be for most Germans like Christmas without a Christmas tree.
IV.
But speaking of English Comedians I must admit that not every clown acting in your country I want to be imported to my country. Let us pray that the Lord will hopefully launch a terrible lightning bolt soon – directly on Clowning Street Number 10 and that then a mighty wrathful voice will sound from the sky with the only thundering call: „Oooorder!“
Otherwise the megalomania of this coming execution of reason, decency and friendly neighborhood can hardly be stopped: a Brexecution on the scaffold of the dangerously spreading nationalism, in which many voters have guillotined themselves. So a lot of people walk to the polls with their head under their arm. No wonder then when it comes to a headless decision and the only head left is that of Boris the Executioner.
V.
In Germany we also have enough problems with voters. Far too many of them make their cross in the polling cabin well knowing that this cross has a hook and even when there are three hooks still missing, this cross is nearly about to turn into a swastika.
Thinking 30 years ago, who would have dared to predict, that the new freedom in the eastern part of Germany would be perverted so drastically.
After the fall of the Berlin Wall freedom of thought has been restored there, too. But what use is freedom of thought if the thoughts are missing?
Freedom of thought in this definition means that one is free of thoughts.
A certain René Descartes once said that thinking is a prerequisite, a basic condition for human existence. He claimed: „I think, therefore I am.“ An absolutely anti-German statement and also anti-English, because the reverse of this sentence would be the conclusion: I don't think, so I'm not. This would call into question the existence of millions of voters in both countries.
Or to quote Bertolt Brecht. He said that thinking was one of mankind's greatest pleasures. But unfortunately, most of the people are not pleasure-seekers in that sense.
These people only want to be mercilessly tortured in front of their gogglebox, a special cruel method called entertainment in order to kill the last grey cells, which may have hidden somewhere in the hollow space. And so they sit motionlessly chained on their sofa, stiffly goggling and staring into a flickering, fake reality. A gruesome horrible vision as already described by Plato in his cave parable. The only movement that these people are capable of, is to grab the beerbottle to water their bladders. After a while the skulls are empty, but at least the bladders are full.
And at some point, when the bladder is overflowing, the people shuffle to the loo.
It's the only way getting the people to rise up from the sofa. That's what you call a popular uprising when the people just piss off.
VI.
And I’m pissed off by those people, because the kind of humor that I try to practice, is incomprehensible if someone doesn’t mind to be mindless. This is in generell true for political satire, which has a long tradition in Germany. In every German city we have Kabaretts with an honest German K as capital letter – not to be confused with cabaret – where they practice mo-mo-mostly (you see I’m hesitating to believe myself) an ironic biting criticism of the prevailing conditions and social phenomena. And many so called experts who write reviews not only in the conservative papers think that this is no real humor at all. They consider it a degenerated kind of laughing, meaning that this kind is not German-like. For them the laughter that real satire provokes is far too uncomfortable and rebellious to can be recognized as a real German cultural achievement.
And so I ought to be ashamed when I dare to tell you anything about German humor. I hope you will forgive me my impudence and audacity. Even if not, that wouldn’t stop me.
To be continued.