Vorwärts – auf allen Viren!
Nr. 700 – vom 12. März 2020
I.
So manche Beschwerde-Mail hat sich in den letzten Wochen in meinem elektronischen Briefkasten angehäuft. Jajaja, ich sehe es doch ein. Ich habe Sie lange ohne einen Satire-Letter schmachten lassen. Aber ich hatte seit Wochen keine Hand frei. Ich war die ganze Zeit am Händewaschen. Sie ja auch! Also, was haben Sie mir also vorzuwerfen. In Zeiten der Krise wird eben jede Hand gebraucht. Da gilt auch in der Politik das alte Lavamat-Prinzip: manus manum lavamat. Eine Hand wäscht die andere. Am besten in Unschuld.
II.
Keinesfalls habe ich also den Kontakt mit Ihnen deshalb gemieden, um Sie (oder mich) vor irgendwelchen Kontaminationen zu schützen. Obwohl ich – es sei beschämt eingestanden – noch nie mit Mundschutz gearbeitet habe, wenn ich mein freches Maul in diesen Kolumnen aufgemacht habe. In diesen Tagen denke ich oft daran, wie gemeingefährlich ich gehandelt habe, wenn ich auf der Bühne einfach so ohne Zungen-Kondom vor mich hin assoziiert habe. Nun wird mir ja inzwischen empfohlen, falls ich irgendwelche Gedanken-Attacken haben sollte, mich nur noch gedanklich in meine Armbeuge zu schnäuzen, so dass möglichst nichts Unerhörtes irgendwem zu Ohren kommen kann. Aber in meinem Altersstarrsinn weigere ich mich strikt, mich zu beugen - und sei es auch nur in meinen Arm.
Und das obwohl ich schon immer der Meinung war, dass bestimmte Weichspüler der politischen Satire nur mit akustisch-sicherer Gesichtsmaske auftreten sollten: Nu(h)r ganz stille! Der Mann will ja auftreten, hat er gerade getwittert, egal was es sein Publikum hinterher kostet. Auf das, was es vorher kostet – nämlich an Eintrittsgeld, kann der Ärmste eben einfach nicht verzichten.
Und wenn Sie jetzt meinen, dass ich hier nicht über begnadete Kollegen herziehen sollte und mich besser an die eigene Nase fassen müsste, dann muss ich Ihnen leider sagen: Mein Gesundheitsminister hat mir strikt verboten, mit den Händen im Gesicht herumzufummeln. Meine eigene Nase ist seither etwas Unfassliches.
III.
Eine australische Tageszeitung ist in der letzten Woche mit einer achtseitigen Beilage erschienen – und zwar aus reinem Klopapier. Gedruckt, aber nicht bedruckt. Denn wie bei uns, herrscht auch in Australien nicht nur die Corona-Krise, sondern auch die Krise des Popolismus. Kein Klopapier mehr in den Regalen – alles hinterrücks weggehamstert. Will sagen: Wir sind am Arsch, aber ohne Zewa-lind.
Wann endlich greift „Bild“ (angeblich auch eine Zeitung) diese Idee des australischen Mehrzweck-Blattes auf: Auf der Titelseite die übliche Panikmache in Sachen Corona, und auf den übrigen Seiten nur noch leeres softes Wisch-und-Weg. „Bild“ würde damit ja nicht wirklich aus der üblichen Rolle fallen, eben aus der Klo-Rolle. Aber endlich könnte ich glaubhaft behaupten, dass dieser After-Journalismus für mich eine sinnvolle Funktion erfüllt – zumindest an stillen Örtchen. Er ginge mir glatt am Gesäß vorbei.
Wobei sich mir die gesundheitspolitische Frage stellt, ob nicht die meisten „Bild“-nun, ja-Leser ebenso wie fast alle AfD-Wähler in eine lebenslange Quarantäne gehören, um die weltweite Epidemie des Verblödungs-Virus wenigstens hierzulande etwas einzuschränken?
IV.
Apropos: Verblödung. Donald Trump soll neulich im vertrauten Kreis behauptet haben, dass er das Opfer einer geheimen Verschwörung sei. Nun gut, denkt man: Die wievielte Verschwörung gegen ihn ist das jetzt? Da zählt ohnehin keiner mehr mit. Aber diesmal hat er zumindest mich nachdenklich gemacht. Er meinte nämlich, dass Journalisten, die ihn auf seinen Ausflügen im Präsidenten-Jet begleiten, sich möglicherweise freiwillig mit dem Corona-Virus infizieren ließen, um ihn, den Präsidenten, dann anzustecken. Und schließlich ist er auch nicht mehr der Jüngste. Der Mann war ja schon immer eine Trump-gewordene Risikogruppe.
Als ich das las, kam mir in den Sinn, dass meine Enkelkinder mich in letzter Zeit auffallend oft besuchen – und zur Zeit sind es die reinsten verschnieften Rotzgören. Wollen die etwa ihren Großvater per Nies-Attacken tröpfchenweise ausrotten, um schneller ans Erbe zu kommen? Jedenfalls habe ich in Abstimmung mit den Virologen des Robert-Koch-Instituts sofort jede verwandtschaftliche Massenveranstaltung, die über zwei Personen hinausgeht, abgesagt. Und ich finde, dass auch diese Maßnahme, die immer noch einen Risiko-Partner einschließt, viel zu großzügig ist. Ich habe jetzt aus rein präventiven Gründen die Scheidung von meiner Frau eingereicht. Man kann doch gar nicht vorsichtig genug sein.
V.
Dies ist übrigens die 700. Ausgabe meines Satire-Letters, mit dem ich Sie gerade belästigt habe. Vielleicht ist Ihnen dieses kleine Jubiläum etwas wert, zumal Sie meine Anschreiben ja kostenlos ins Haus bekommen. Ich bin seit Jahren involviert (unter vielem anderen) in einem Verein, der Mädchen und Jungen in Recife (Nordbrasilien) vor den dortigen Todesschwadronen zu retten versucht und ihnen zu Heim- und Ausbildungsplätzen verhilft, die von den Spenden finanziert werden. Und ich weiß, dass jeder gespendete Euro dort ohne jeden Abzug landet.
Hier das Konto „Kinderhilfe-Brasilien“ – IBAN: DE 03100400000325333300 – BIC: COBADEFFXXX. (Kennwort: „Martin Buchholz“). Und eine Spendenquittung für die Steuer gibt’s auch.