Sahras Heimatkunde
Nr. 727 – vom 27. August 2024
I.
In den sächsischen Regionen, wo ich zur Zeit in der Sommerfrische weile, geht der Wahlkrampf in die letzte Runde. Alle Straßen sind wunderschön geschmückt. An jeder Straßenlaterne hängt ein Politiker.
Und besonders häufig prangt da das Konterfei einer selbstgekürten Super-Woman: das der Dschugaschwilistin Sahra (für Leute, die diese dezente Anspielung nicht verstehen: Dschugaschwili war der eigentliche Familienname eines sowjetischen Alleinherrschers, der mit erstem Vornamen Josef hieß). Auf den massenhaften Portrait-Postern dieser Alleinherrscherin wird den Bürgern mit wechselnden Parolen eine plakative Heimatkunde erteilt. Zum Beispiel: „Wir geben der Zukunft eine Heimat“. Ein Versprechen der BSW, das man von einer anderen Drei-Buchstaben-Organisation abgekupfert hat, nämlich von der LBS, der Landesbausparkasse. Da hieß der Slogan: „Wir geben ihrer Zukunft ein Zuhause.“ (Doch gebe ich zu, auch die LBS würde ich nicht wählen.)
Aber Sahra strahlt uns von den Plakaten überaus einfallsreich auch mit allerhand weiteren heimatlichen Zukünften an: „Wir geben der Wirtschaft eine Heimat“. Natürlich auch: „Wir geben dem Frieden eine Heimat.“
Was ich allerdings nirgends als Heilsbotschaft in dieser personenkultigen Big-Sister-Kampagne verkündet finde, ist die Parole: „Wir geben auch Asylanten eine Heimat“. Oder zumindest „eine Bleibe“. Für nicht-deutsche Menschen ist unsere Heimat offenbar unzugänglich. Sie sind Ausheimische, keine Einheimischen. Die haben sich hier nicht heimisch zu fühlen, sondern ausheimisch. Schließlich ist es unsere Heimat, und die wollen wir mit niemand teilen. Wie sang es einst Freddy Quinn, unser wüstenheißer deutscher Caruso-Ersatz: „Heimatlos sind viele auf der Welt“. Und so soll es auch bleiben.
II.
Nebenbei: Was die Heimat-Treue angeht, scheint sich die Wagenknechtschaft durchaus einig zu sein mit den Heim-ins-Reich-Nazionalisten. Zumindest kann man diesen Eindruck gewinnen, wenn man beim Vorbeifahren durch die sächsischen Gauen unvorsichtigerweise die Botschaften an den Laternen mitliest: „Mut zur Heimat!“, fordert die AfD. Was mit diesem Mut gemeint ist, wird nochmal auf anderen Rechtsaußen-Postern klar gemacht: „Asylflut stoppen! Heimat retten!“ Oder: „Heimat retten für uns Deutsche!“ Besonders deutlich meldet sich die AfD-Heimatschutztruppe mit einer regel-rechten Kampfaufgabe von der Heimatfront: „Unsere Heimat! Unsere Regeln!“
Tief aus dem Osten tönt es her! Ich muss euch sagen, es heimatet sehr. Eigentlich sollte der Begriff „Heimat“ etwas Anheimelndes meinen und nichts Unheimelndes. Doch dieses nicht ganz klar Ausgesprochene, diese heimliche Unheimlichkeit, macht mir diese Heimat-Heimsucherei unerträglich.
III.
Übrigens: Als wir neulich im sächsischen Meißen waren, einer AfD-Hochburg fast ohne CDU-Brandmauern, stand da plötzlich eine riesige Plakatwand in der Landschaft mit Sahras tiefgekühltem Lächeln in Großformat. Dazu der bekannte Spruch: „Wir geben der Bildung eine Heimat“. Darunter die Ergänzung: „Weil Rechnen wichtiger ist als Gendern.“ (Nun ist Gendern für sächsische Schüler bei Strafe einer schlechten Benotung ohnehin verboten, das Rechnen hingegen noch nicht.) Erzbescheuerter Populismus der genderlosen WagenknechtInnen, um am breiten Rand rechtsaußen Stimmen abzufischen. So gibt man der doofdeutschen Dumpfheit eine neue Heimat – genauer gesagt: eine alte Heimat aus Tagen, die man längst vergangen glaubte.
In ein paar Tagen, am 1. September, kommen nun die Wahlen in Sachsen und Thüringen über uns. Eine Wahlnacht des Grauens, fürchte ich. Meine Haltung bleibt klar: Kotzalledem!
Es grüßt Sie herzlich und hirnlich
Ihr Martin Buchholz
PS. Zu meinem Auftritts-Kalender ist ein neuer Termin hinzugekommen. Am Freitag, den 18. Oktober trete in im Rahmen der Frankfurter Buchmesse im dortigen KÄS auf. (KÄS bedeutet: Kabarettistische Änderungs-Schneiderei). Kartenbestellungen unter diesem Link: https://diekaes.reservix.de/p/reservix/group/477777
Weitere Termine:
Am Donnerstag, 5. September, im Hamburger „Lustspielhaus“. Tel. 040 555 6 555 6
Am Freitag, 27. September, in der Dresdener „Herkuleskeule“, Tel. 0351 49255
Am Sonntag, 27. Oktober, auf Mallorca im „C'an Gats“, dem alten Stadtpalast von Llucmajor, Tel. 0171 3354312
Und am 1. sowie 8. Dezember bei den „Wühlmäusen“ in Berlin. Tel. 030 30 67 30 11
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